Man kommt nicht umhin, Paul McCartneys Arbeitsmoral zu bewundern. Eigentlich muss sich der Mann nichts mehr beweisen. Mit seiner Musik hat er die Welt, in der wir leben, beglückt und nachhaltig geprägt. Zudem gehört der rüstige, mittlerweile 76 Jahre alte Ex-Beatle zu einer Handvoll musikalischer Legenden, die immer noch stehen. Auch hat McCartney weder das Geld noch die Bewunderung nötig, um derentwillen manch andere seiner Kollegen mit der Musik weitermachen, auch wenn diese immer schlechter wird. Und dennoch ist er wieder da, meldet sich mit einem neuen Album zurück. Sorgt sich dabei weder um sein Erbe, noch ruht er sich auf seinen Lorbeeren aus: EGYPT STATION ist „Maccas“ 17. Album seit Auflösung der Beatles und in mancherlei Hinsicht ein musikalischer Parforceritt durch die Stationen seiner langjährigen Karriere.
Der Song „People Want Peace“ eröffnet mit einer Ansage („Ladies and gentlemen, I’m standing before you with something important to say”), die Erinnerungen an das Titelstück des Jahrhundertalbums „Sgt Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ weckt. „Back in Brazil“ ist eine kesse Bossa- Nova- Schwof-Nummer. Das Stück “Who Cares?” klingt wiederum wie der gute alte Wings-Titel “Band On The Run“, ein kraftstrotzender Rock ’n‘ Roll mit einer etwas naiven Botschaft, wie man mit den Niederschlägen des Lebens fertig wird, die ein wenig wie ein großväterlicher Rat klingt.
„Wo cares what the idiots say / Who cares what the idiots do/ Who cares about the pain in your heart / Who cares? I do”, heißt es da.
Über Liebe und Frieden hat McCartney ein Leben lang gesungen, und diese Sehnsucht nach Harmonie ist auch auf EGYPT STATION allgegenwärtig. Und doch gibt es hier einen Unterschied, der das Saubermann-Image des Musikers konterkariert. Der Song „Fuh You“, der in Zusammenarbeit mit Ryan Tedder entstand, ist ein ziemlich obszönes Wortspiel, wenn man genau hinhört. „Come On To Me“ klingt im Sound recht simpel und hat einen ziemlich derben Text obendrein: „I saw you flash a smile that seemed to me to say / You wanted so much more than casual conversation”, heißt es da unverhüllt in der Sprache der Big Dick Energy, auch wenn es im Album an anderer Stelle wie im Song „Do It Now“ mit Harmonium, Chor und Streichern wiederum getragener zugeht.
„Happy With You“ ist eine schlichte Ballade über das Glück, mit dem Menschen zusammen zu sein, den man liebt, und gibt viel Persönliches preis.
„I walked around angry / I used to feel bad / I used to drink too much / Forgot to come home…”.
Im Song “Confidante” erzählt McCartney von der Liebe zu einer Gitarre, die jahrelang ungenutzt in seinem Wohnzimmer herumstand, bevor er EGYPT STATION in Angriff nahm.
Wie „Abbey Road“ endet das Album mit einem Medley: „Hunt You Down/Naked/C-Link“, eine ziemlich verrückte Melange aus explodierenden Soundkollagen, elektrischen Gitarren, Bläsersätzen, einem Hauch Nostalgie in der Mitte und einer siedend heißen Bluesgitarre zum Abschluss. Das ist super gemacht.
Fazit:EGYPT STATION ist ein Album, das McCartney-Fans, aber auch hartgesottenen Beatles-Fans gefallen dürfte, die über manche seiner Solowerke die Nase rümpften. Und eines, mit dem ein begnadeter Musiker noch einmal alle Register zieht.
Paul McCartney
Egypt Station
VÖ: 07. September 2018
Universal
Foto: Universal Music