Paul Dempsey „Strange Loop“

Klar, der Mann macht keine Musik für den Mainstream. Und an den neuesten Trends im Musikgeschäft oder daran, die Bestie Medien zu füttern, ist Paul Dempsey offenbar auch nicht interessiert. Was der Australier anpackt, muss schon Hand und Fuß haben. Doch das kostet Zeit. Möglicherweise ist dies der Grund dafür, dass der Frontmann der Aussie-Band Something for Kate es nicht eilig hatte, sein zweites Soloalbum zu veröffentlichen. Immerhin sind ganze sieben Jahre seit seinem Debüt „Everything is True“ ins Land gegangen, das bei den Fans und Kritikern gleichermaßen gut ankam und ein bisschen wie Dempsey ohne Something for Kate klang.

Doch jetzt ist das in Chicago im Loft Studio der US-Indieband Wilco aufgenommene Album „Strange Loop“ da, dessen elf Songs, ganz Dempsey, sich weigern, eine Verbeugung vor den gängigen Songwriting-Konventionen zu machen.

Der seltsam anmutende Titel des Albums – inspiriert durch das Buch I am a Strange Loop des US-amerikanischen Physikers und Kognitionswissenschaftlers   Douglas Hofstadter – verweist auf Dempseys aktuelles Interesse an der philosophisch-wissenschaftlichen Frage, wie Geist aus Materie entsteht. Dabei greift der Australier, der sich nach eigenem Bekunden vor allem für Astrophysik interessiert, in seinen ausgeklügelten Songtexten auch gerne einmal zu schwarzem Humor und geistreichen Wortspielen, um das Abstrakte mit Vertrautem zu verbinden.

Im siebeneinhalbminütigen Opener „The True Sea“ kontrastiert Dempsey die gewaltige Größe des physischen Universums mit dem zarten Band, das zwei Menschen miteinander verbindet „…She makes the ocean seem like a drop in the ocean“, heißt es da im Refrain. Mit ungestümer Verve und unbekümmertem Optimismus drängt der Song voran und ist im Gegensatz zu diversen langatmigen Trendsettern keinen Augenblick langweilig. Jede einzige Tonsekunde erscheint hier notwendig.

Der verspielte Titelsong „Strange Loop“, der mit einer entspannten Akustikgitarre und leisen Orgelklängen beginnt, handelt von der Unmöglichkeit, den anderen richtig zu verstehen, und welche schrecklichen Dinge zutage träten, würde uns dieses jemals gelingen.  „Tell me baby what’s so good about being understood / I would be terrified if I could read your mind / And the real me you couldn’t even identify“, gibt Dempsey lakonisch zu bedenken.

Der Song „Hey History“ wiederum baut sich behutsam und mit feinem Gespür für dynamische Spannungsbögen auf, um dann in einem unfassbar eingängigen E-Gitarrensolo zu münden, bevor er langsam ausklingt.

„Be Somebody“ ist demgegenüber ein hübscher Lovesong, dessen jazzähnliches verschachteltes Gitarrenarrangement und warmen Bläsersätze über die düstere Ironie der Geschichte leicht hinwegtäuschen können. „This is the moment you’ve been waiting for / And I can’t miss my big chance to be wrong / Baby I’m gonna be somebody you can give up on“, sinniert Dempsey.

Alten Fans der Band Something for Kate dürfte vor allem das Stück „Morningless“ mit seinen pulsierenden Rhythmen, ergänzt durch diverse   Neuerungen wie den raffinierten Bläsersätzen und dem ausgefeilten Hintergrundgesang, auf Anhieb gefallen.

„Strange Loop“ öffnet ein Fenster zu Dempseys augenscheinlichem Interesse an den kleinen und großen Fragen des Lebens. Dabei überraschen die gekonnt sparsame Instrumentierung ebenso wie die  verblüffenden Arrangements und vor allem Dempseys Stimme, die den schwierigen Spagat zwischen kehlig rauem und engelhaftem Gesang mühelos schafft. Ein tolles Hörerlebnis!

Fazit: Mit seinem zweiten Album hat sich Paul Dempsey zwar sehr viel Zeit gelassen, doch das Warten hat sich gelohnt. Wer „Strange Loops“ gehört hat, dem ist sofort klar, dass es eigentlich nur zwei Arten von Menschen geben kann – eingefleischte Paul Dempsey Fans und solche, die sein neues Album noch nicht kennen. Die aber werden unweigerlich zu den Ersteren zählen, sobald sie die elf Songs gehört haben.

Paul Dempsey „The True Sea“

Standardbild
Hans Kaltwasser
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