Man nannte ihn den „Paten des britischen Blues“, John Mayall. Am Montag ist der legendäre britische Musiker in seiner Wahlheimat Kalifornien gestorben. Er wurde 90 Jahre.
Virtuoser Musiker und Talentscout
Seinen Beinamen erhielt er nicht wegen seines versierten musikalischen Könnens – Mayall war Multiinstrumentalist, der Klavier, Orgel, Gitarre und Mundharmonika spielte – sondern weil er einen untrüglichen Blick für junge musikalische Talente hatte, die er rekrutierte und denen er den letzten Handschliff gab. Die Liste der Musiker, die in den wechselnden Besetzungen seiner Blues-Ensembles spielten, liest sich wie ein Who’s Who der britischen Rockmusik. Viele von ihnen gründete nach einem Gastspiel bei ihm selbst erfolgreiche Bands: Schlagzeuger Mick Fleetwood und Bassist John McVie waren Gründungsmitglieder von Fleetwood Mac. Leadgitarrist Eric Clapton und Bassist Jack Bruce gründeten das Super-Trio Cream. Peter Green, der für Clapton bei Mayalls Bluesbreakers einstieg, schloss sich wenig später Fleetwood Mac an. Bassist Andy Fraser half die Bluesrockgruppe Free zu gründen. Und Mick Taylor holten die Rolling Stones als Nachfolger für Brian Jones.
Initiator des britischen Elektroblues
Das einzige Album, das Mayall mit Clapton aufnahm, „Blues Breakers“ (1966), gilt vielfach als Auslöser für den elektrischen Blues-Boom der 1960er Jahre. Mit seinen Songs von Robert Johnson, Otis Rush, Freddie King und Ray Charles sowie einigen Eigenkompositionen setzte das Album einen Standard, der von vielen aufstrebenden jungen Bluesbands diesseits und jenseits des Atlantiks kopiert werden sollte.
Später Einstieg als Berufsmusiker
John Mayall wurde am 29. November 1933 in Macclesfield, einer kleinen Ortschaft in der Nähe des nordenglischen Manchester geboren. Sein Vater Murray spielte in den örtlichen Kneipen in einer Jazzband Gitarre und sammelte Schallplatten. Seine Mutter Beryl förderte sein Interesse an der Musik, aber Mayall studierte zunächst Kunst und Grafikdesign am Manchester College of Art. Nach seinem Militärdienst, den er in Korea ableistete, arbeitete er mehrere Jahre lang für verschiedene Werbeagenturen. Mayall war bereits 30, als er beschloss, Vollzeitmusiker zu werden und nach London zu ziehen, wo Musiker wie Alexis Korner und Cyril Davies eine immer größer werdende Nische für den Blues geschaffen hatten.
Finanziell war es eine harte Zeit für Mayall und seine Gruppe. Selbst als er zukünftige Stars wie Eric Clapton, Peter Green und Mick Taylor in seiner Band hatte, tourte er in einem kleinen Lieferwagen durchs Land und absolvierte für ein paar Pfund kurze Auftritte auf beengten Bühnen in kleinen Clubs, nicht selten vor nur ein paar Dutzend Leuten. Doch Mayalls Bekanntheit wuchs allmählich. Nach seinem Debüt „Blues Breakers“ und dem ebenso erfolgreichen Nachfolger „A Hard Road“ (1967) begann er in den Vereinigten Staaten und in Europa zu touren.
Experimente zwischen Jazz und Blues
In dieser Zeit änderte sich auch die Zusammensetzung seiner Bands; britische Musiker machten Platz für Amerikaner. Zu seiner ersten „amerikanischen“ Gruppe gehörten Harvey Mandel an der Gitarre und Sugarcane Harris an der elektrischen Geige. Andere Gitarristen kamen hinzu: Sonny Landreth, Walter Trout und Coco Montoya, die allesamt später erfolgreiche Solokarrieren machten.
Bereits vor seiner Ankunft in den Vereinigten Staaten hatte sich Mayall von dem klassischen Blues entfernt und eine Akustikband ohne Schlagzeug gegründet, mit der er eine vom Jazz beeinflusste Musik spielte. Aus dieser Zeit stammt sein erfolgreiches Album mit dem bezeichnenden Titel „Turning Point“ (1969). In den 1970er-Jahren begann Mayall eine intensive Zusammenarbeit mit verschiedenen Jazzmusikern wie dem Trompeter Blue Mitchell und den Saxofonisten Ernie Watts und Red Holloway, aus der das Livealbum „Jazz Blues Fusion“ von 1972 hervorgehen sollte.
Den Blues hat Mayall ungeachtet mancher umtriebiger musikalischer Experimente indessen nie ganz aufgegeben. In den 1980er-Jahren gründete er die Bluesbreakers neu, mit denen er bis weit ins 21. Jahrhundert hinein mit ständig wechselnden Besetzungen auf Tournee ging und Platten aufnahm. Das letzte seiner mehr als 70 Alben veröffentlichte er 2022. Es trägt den Titel „The Sun is shining down“.
Mit John Mayall hat die Musikwelt einen ihrer besten und einflussreichsten Köpfe verloren.
Pressefoto: David Gomez