Neue Nationalgalerie in Berlin: Gerhard Richter und Tehching Hsieh

Gerhard Richter und Tehching Hsieh – zwei bedeutende Künstler der Gegenwart, die unterschiedlicher nicht sein können, markieren Wendepunkte im Kunstverständnis des 20. Jahrhunderts. Die Neue Nationalgalerie in Berlin zeigt ihre wichtigsten Werke.

Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin

Am 9. Februar 1932 in Dresden geboren und ausgebildet an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, schließt Gerhard Richter 1956 ein Studium im Fach Wandmalerei ab. 1961 siedelt er aus der DDR in die Bundesrepublik über, wo er ein zweites Studium an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf aufnimmt. Dort beginnt sein künstlerisches Werk im Spannungsfeld zwischen Malerei und Fotografie. Ab 1963 entstehen seine ersten Gemälde nach Vorlagen aus Illustrierten und privaten Fotoalben, deren Motive er leicht verwischt.

Die Ausstellung „100 Werke für Berlin“ zeigt erstmals eine Auswahl der langfristigen Dauerleihgabe der Gerhard Richter Kunststiftung an die Nationalgalerie. Das zentrale Werk der Ausstellung im Grafischen Kabinett der Neuen Nationalgalerie ist der aus vier großformatigen, abstrakten Bildern bestehende Zyklus „Birkenau“ (2014). Er ist das Ergebnis einer langen und tiefen Auseinandersetzung von Gerhard Richter mit dem Holocaust und dessen Darstellbarkeit. Und beantwortet seine Frage, ob und wie Kunst nach dem Holocaust und dem Terrorregime des Nationalsozialismus überhaupt noch möglich ist.


Zudem setzt sich sein künstlerisches Schaffen mit den Möglichkeiten und Grenzen der Malerei auseinander. Seine Kunstwerke stehen jeweils in einem Spannungsverhältnis zwischen Abstraktion und Figuration, Fotografie und Malerei.

In der Ausstellung sind vor allem Werke der 2010er Jahren zu sehen. Richter malt darin farbintensiv und in mehreren Schichten. Die Farben werden mit einer Rakel aufgetragen, vermischt und zugleich partiell wieder abgeschabt. Das Ergebnis ist ein Zusammenspiel von Zufall und bewussten Entscheidungen bei dem der Entstehungsvorgang des Kunstwerkes sichtbar bleibt. Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler.

Neue Nationalgalerie | Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin | ab 1.4.2023

Tehching Hsieh „One Year Performance 1980-1981 (Time Clock Piece)“

Gleichzeitig sind Werke des Performance-Künstlers Tehching Hsieh in der neuen Nationalgalerie zu sehen. Mit seinen Langzeitperformances veränderte und prägte er maßgeblich die Medien– und Performancekunst seit den 1970er-Jahren.

Geboren 1950 in Nanzhou, Pingtung, Taiwan, wurde Tehching Hsieh vor allem durch seine Langzeitperformances, die jeweils ein Jahr andauerten, in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren international bekannt. Die Film- und Foto-Installation in der Neuen Nationalgalerie zeigt die Performance, in der der Künstler sich ein Jahr lang dabei fotografiert, wie er stündlich eine Stempeluhr bedient. Der damit einhergehende Schlaf- und Mobilitätsentzug versetzte ihn in eine Art Delirium, so dass einige Aufnahmen scheiterten. Tehchings einjährige Langzeitperformances machten den Künstler in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren international bekannt und beeinflussten Künstler*innen wie Marina Abramovic.
Das gesamte künstlerische Schaffen des US-amerikanischen Künstlers Tehching Hsieh besteht aus sieben Performances. Es begann 1973 mit dem Sprung aus einem Fenster, dann folgen zwischen 1978 und 1986 die Langzeitperformances: ein Jahr lang in einem Käfig leben, eine Zeitkarte stempeln, im Freien leben, mit einem Seil verbunden sein, keine Kunst machen, sehen, oder diskutieren. Hsieh führte diese Performances mit extremer Strenge durch und stellte zahlreiche Regeln und Bedingungen auf. Oft verwendete er auch Elemente wie juristische Dokumente, um die Zwänge, die er seiner Kunst und seinem Leben auferlegte, zu unterstreichen.

Tehching Hsieh „One Year Performance 1980-1981 (Time Clock Piece)“ 01.04.2023 bis 30.07.2023
Neue Nationalgalerie

Titelbild: Gerhard Richter MV 133, 2011 Lack auf Farbfotografie
Leihgabe der Gerhard Richter Kunststiftung
© Gerhard Richter 2023 (31032023)

Ingrid
Ingrid

Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen.
Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.

Artikel: 3609

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.