Nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit – Buchtipp

Bereits Jahrzehnte werden natur- und umweltbewusste Menschen nicht müde, auf die drängenden Fragen des Umweltschutzes Antworten von der Politik einzufordern. Daraus haben sich Umweltbewegungen entwickelt, die noch unentwegter und eindringlicher versuchen, ihren Forderungen Raum zu verschaffen. Und mehr noch, der Begriff der Nachhaltigkeit ist voll im Mainstream angekommen. Symptomatische Verbesserungen sind inzwischen eingetreten, dennoch verharren moderne Demokratien in ihrer nachhaltigen Politik der Nicht-Nachhaltigkeit. Anti-ökologische, rechtspopulistische Bestrebungen verkünden regelmäßig und immer wirksamer, dass es gar keine Klimakatastrophe gäbe. Prominentestes Beispiel ist der US-Präsident Trump, der behauptet, sein Land besäße gute Luft und von Klimaveränderungen keine Spur. Dies führt zu gesellschaftlichen Konflikten und Spaltungen.

Dieser Band hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Zustand der Nicht-Nachhaltigkeit zu untersuchen, zu hinterfragen, inwieweit die Klima- und Umweltschutzdebatten zielführend sind. Und welche politischen Kriterien erfüllt werden müssen, um eine Transformation moderner Demokratien in Nachhaltigkeitsgesellschaften zu gewährleisten.

Das erste Kapitel befasst sich mit der Frage, inwieweit sozialwissenschaftliche Forschung neben einer Analyse der gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge auch Lösungen anbieten kann. Angesichts der gekauften Zeit braucht es nicht nur Debatten, sondern Lösungsvorschläge, um eine gerechte, nachhaltige Welt für alle zu schaffen. Wissenschaftliche Forschung hat jedoch zu allererst die Aufgabe, genau zu analysieren, warum, wie in diesem Fall, bereits vorhandene Lösungsstrategien nicht von der Politik umgesetzt werden. Zudem neue sozialwissenschaftliche Forschungsperspektiven zu entwickeln, Diagnosen zu erstellen, um die eigenartige Fortdauer der Nicht-Nachhaltigkeit zu erhellen.

Kann ein Festhalten am Konsumkapitalismus den Sprung vom Umweltstaat zum Nachhaltigkeitsstaat schaffen?

Diese Frage aufzuwerfen und zu beantworten, genau das leisten die einzelnen Beiträge des Buchs. Präzise, systematisch und logisch wird die Entwicklung vom Wohlfahrtsstaat hin zum Umweltstaat aufgezeigt. Bis es zum eigentlichen und letzten Schritt kommen muss – dem Nachhaltigkeitsstaat. Diese Transformation ist bis jetzt nicht erfolgt. Die Autoren Felix Butzlaff, Michael Deflorian und Daniel Hausknost erklären warum.

Eine weitere spannende Frage, der wir gegenwärtig begegnen, ist die nach der individuellen Verantwortung der Konsumenten. Sind wir es, die eine nachhaltige Gesellschaft verhindern bzw. erzwingen können? Aus der Verhaltensökonomie wissen wir, rationale Konsument*innen selbst in Geldgeschäften ist ein theoretisches Konstrukt – es gibt sie nicht.

Einstellungen zu verändern und Konsumenten zu ermutigen, sich umweltbewusst zu verhalten, ist kein leichtes Unterfangen. Dennoch hat sich einer „grüner Lifestyle“ entwickelt, der mittlerweile einfacher zu leben ist. Mündige und autonome Konsumenten sind wichtige Akteure auf dem Weg in einen nachhaltigen Staat. Es wäre aber zu einfach, die Verantwortung auf sie alleine zu verlagern und würde zudem nicht gelingen.

Umweltwissen mündet nicht direkt in ein beobachtbares umweltbewusstes Verhalten. Dass es einer komplizierten und komplexen Betrachtung und Lösung bedarf, macht der Artikel von Mirjaam Mock deutlich.

Der Essay-Band „Nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit“ stellt die sozialwissenschaftliche Forschung zu diesem Thema auf das solide Fundament einer zwingend notwendigen Analyse. Seine Diagnose, die umweltbewusste Menschen längst befürchten und Politikern nicht gefallen wird, lautet, dass es eine nachhaltige Gesellschaft nur dann geben kann, wenn wir Abschied nehmen von einer wachstumsorientierten kapitalistischen Politik. Dann erst ist der Weg frei für einen Nachhaltigkeitsstaat, der diesen Namen verdient.

Den Autoren ist es gelungen, sehr verständlich äußerst komplexe Zusammenhänge zu beleuchten. Damit tragen sie auch zu einer objektiven, lösungsorientierten Diskussionsgrundlage bei.

Nachhaltige-Nicht-Nachhaltigkeit

Ingolfur Blühdorn / Felix Butzlaff / Michael Deflorian / Daniel Hausknost / Mirijam Mock

2019-12-19, 334 Seiten
ISBN: 978-3-8376-4516-3

transcript-Verlag

Ingrid
Ingrid

Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen.
Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.

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