14.09.2014 – El Lokal – Zürich – SEIN
(Musu Meyer taufte Holzerhurd)
Rar sind die Gelegenheiten. Zu schön, dass die heutige an einem Sonntag ist. Wer hat keine Zeit zum SEIN an einem Sonntag?
Lustigerweise hab ich grad Veit Stauffer gesehen, bei ihm habe ich vor ein paar Jahren die famose Platte „Komm Bruno, lass uns tanzen“ von SEIN gekauft. Verzückt nach bloss einem Lied im CD-Player seines genauso famosen Rec Rec Plattenladens, war ich verliebt in diesen Low-Life-Chanson der Zürcherin Musu Meyer. Selten genug verzücken und berühren einem die Zürcher. Nicht, dass ich mich mit ihren Geschichten über abgestürzte Silverster-Abende oder sonstige alkoholgeschwängerte Traurigkeiten identifizieren könnte aber wie süffig diese Geschichten daher kommen, wie humorvoll und feinfülig, das hat schon was. Da steht nun das Equipment auf der kleinen Bühne, das kompakte, in die Höhe gebaute Schlagzeug, der Kontrabass, die Feder-Boa, das Akkordeon. Alles da, was es zum Glücklich SEIN benötigt.
Ich hoffe es wird voll, ich hoffe sie bekommt heute Abend eine verdiente Würdigung ihres Schaffens. Selbstverständlich ist in Zürich nichts. Es kann passieren, dass Godspeed! You black emperor! vor 100 Nasen spielen. Oder der tolle „Porcelain Raft“ vor 20 und Marissa Nadler vor 40. Nichts, ist selbstverständlich in dieser Stadt. Doch kein Club gibt mir mehr Hoffnung, dass sich dies eines Tages ändern könnte als das El Lokal.
Vielleicht bekomme ich die Antwort genau heute Abend…
Im Glitzerkleid steht Musu ungealtert auf der Bühne. Die Haare natürlich vollblond. Die Band ein sympatischer Haufen. Ein bärbeissiger Pianist, ein schlaksiger Herr an der Gitarre, ein Bär am Kontrabass, eine wunderbar Heilsarmeeige Handorgel-Spielerin, zu finden aber auch an der Bassgitarre, der Blockflöte oder dem Steh-Drumkit, welches rotierend besetzt war, je nachdem ob eine Klarinette benötigt wurde oder nicht. Kaurismäki Filme kommen mir wieder in den Sinn. Nicht mit Belustigung sondern mit einer wohligen Wärme um’s Herz. Da sind Menschen die Musik spielen um der Musik willen.
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Das erste Set („Ihr eigenes Vorprogramm“) besteht aus „Klassikern“. Einige davon, veröffentlicht auf dem Album „Komm Bruno, lass uns tanzen“. Der Tango „Was soll einer lieb sein“ oder das verspielt humpelnde „Helmut“. Als Höhepunkt „Dieter“. Die Band ist auf angenehme Weise exzentrisch, spielt belustigt auf und vermittelt genau das Gefühl von Herzenswärme die Musu’s Texte benötigen. Die Worte jedoch konnte ich oft nicht richtig verstehen, was sich dann im „Hauptteil“ des Set’s, der Premiere ihrer neuen Platte „Holzerhurd“ deutlich verbesserte. Ihr Kommentar zum titelgebenden „Holzerhurd“: Als sie mit dem Bus vom Dunkelhölzli (Altstetten) ins Holzerhurd (Affoltern) gefahren sei dachte sie nur eins: Den Menschen geht’s noch immer zu gut, vor allem denen in Affoltern.
Mir gefiel der zweite Teil irgendwie besser, obwohl ich die Lieder nicht kannte. Seltsam. Normalerweise ist das doch immer umgekehrt. Alles schien klarer und die Songs strahlten von Anfang an hell. Viellleicht sind die Instrumente ein wenig akzentuierter und mit deutlich mehr Piano. Jedenfalls war die Freude gross und sie wurde bei Herbstbeginn noch grösser, als Musu die Bühne, die Instrumente und das Tanzfeld mit Herbstblättern dekorierte. Während des nächsten Songs fielen die Blätter vom Balkon hinunter vor die Bühne. Ein kindlicher, sympatischer Moment.
Holzerhurd, die Platte, ist bisweilen beschwingter Chanson wie „Marcel“, Tango „Im Hafenpuff steht ein Klavier“ oder nachdenkliche Pianoballade in „Herbst“. Sie ist kein Bisschen schwächer als ihr früheres Werk und durch und durch SEIN. Und ich schimpfe nun auch nicht mehr über geringe Besucherzahlen, wenn nur die Coolsten von Zürich anwesend sein möchten, ist es das Pech der Anderen und ein fast persönliches Glück für mich.
„Hey ihr Versager macht euch mal ganz klein, die Bank mit Seeblick gehört mir allein, weil ich hier der Boss bin“ Sie hat sich den Platz redlich verdient.
Copyright Fotos: Mischa Scherrer / www.mischascherrer.ch (vielen Dank!)
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