MOHAWK – Roman von Richard Russo

Mohawk heißt die Kleinstadt in Upstate New York; hier kennt jeder jeden. Insbesondere gilt das für Harry, den Besitzer eines Grills und Cafés. Bei ihm kommen die Besucher auf einen schnellen Kaffee vorbei oder frühstücken Spiegelei mit Würstchen. Etwas skurill ist Harry auch, denn er benutzt nur einen Jahreskalender über Jahre, weil er meint, die Monate seien alle gleich. Wenn es mit den Tagen nicht genau hinhaut, was macht das schon? So locker nehmen es die anderen Protagonisten im Roman „Mohawk“ mit ihrem Leben nicht.

Die Stadt lebt von der Lederindustrie, die jedoch allen Bewohner*innen mehr oder weniger nach dem Leben trachtet, je nachdem, wie eng sie miteinander verflochten sind. Das Wasser des Flusses ist verseucht, und die Arbeiter leiden immer häufiger, zumindest am Ende ihres Berufslebens an Krebs. Annes Vater Mather Grouse hat ein Lungenemphysem davongetragen. Er war Zuschneider und ein Mann, der einmal große Ambitionen hatte. Sein Stolz und seine Kompromisslosigkeit haben ihn jedoch isoliert, bei der Arbeit und erst recht danach. Zudem ist es ihm nicht gelungen, seine Angst und Schuldgefühle zu überwinden, die von einem mysteriösen, viele Jahre zurückliegenden Vorfall herrühren. Auch die Projektion seiner Träume und Wünsche auf seine Tochter Anne, ist glücklos geblieben.

Sie hat Mohawk nie verlassen, wegen ihrer Liebe zu Dan, der jedoch der Ehemann ihrer Cousine ist. Anne hat einen Sohn von einem anderen Mann mit Namen Dallas, der so abgedreht ist, dass er ständig seine Wäsche im Waschsalon verwechselt und nur selten Anne und seinen Sohn Randall vermisst. Nur der Verlust seines kürzlich an Krebs verstorbenen Bruders David schmerzt ihn sehr.

Billy Gaffney hat in seinem bisherigen Leben nur Schläge und Verdruß erfahren. Einst ein schüchterner Junge, der in Anne verliebt war, misshandelte sein Vater Rory ihn so sehr, dass er jetzt hirngeschädigt und für immer behindert ist. Das sind nicht die einzigen widerwärtige Taten, die auf das Konto Rorys kommen.

Die Figuren des Romans sind allesamt in unbefriedigenden Verhältnissen gefangen und manche gar Opfer gescheiterter Ambitionen, schlechter Angewohnheiten und unglücklicher Familienverhältnisse. Dennoch ist der Debütroman des erfolgreichen amerikanischen Autors Richard Russo ungemein lesenswert und irgendwie zeitlos. Er zeugt wie alle seine weiteren Romane vom großen Talent des Pulitzerpreisträgers.

Richard Russo fängt mit erzählerischer brillanter Leichtigkeit und Humor die Lebensweise und den Takt einer Kleinstadt ein. Den ausweglosen Rhythmus vor den immer gleichen Kulissen einer Stadt, die dem langsamen unweigerlichen Verfall entgegensieht.

Russo ist bekannt für seine Schilderungen des Lebens der Arbeiterklasse in verlassenen kleinen Industriestädten im nördlichen New York und im Norden Neuenglands und steht damit auch in der Tradition des großen englischen Schriftstellers Charles Dickens. Russo gehört zu den wichtigsten Schriftsteller seit Sherwood Anderson und Sinclair Lewis.

Richard Russo – MOHAWK
Roman

496 Seiten, Gebunden mit Lesebändchen, Originalverlag: Vintage Books, 1986, Originaltitel: Mohawk

ISBN 978-3-8321-8228-1

Übersetzung: Monika Köpfer

Verlag: DUMONT

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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