Ewiger Rockstar, Rebell, sexsüchtiger Egomane, cleverer Geschäftsmann. Sir Michael Philip Jagger hat viele Gesichter. Heute wird er 80.
Es gibt viele Geschichten über den Frontmann der Rolling Stones. Eine besagt, dass der kleine Michael Philip Jagger, als er 1951 in seine neue Grundschule kam, allen Mitschülern erzählte, er habe zu Hause einen Chemiebaukasten und wolle damit eines Tages die ganze Welt in die Luft jagen. Ein ehrgeiziges Vorhaben, das sich ein Dutzend Jahre später, als sich Mick Jagger zum Rockstar mauserte, zu erfüllen schien. Doch statt zu Schwarzpulver und anderen Explosivmitteln griff er hierfür zu Harmonika, Tamburin und Maracas, um mit seinem Schulfreund Keith Richards und dem etwas älteren Gitarristen Brian Jones die Rolling Stones zu gründen. Ob sie die beste Rockband aller Zeiten sind, kann man bezweifeln. Sicher ist, keine andere Rockband ist so lange intakt geblieben wie die Stones Die einzige Musikgruppe, die es mit ihnen aufnehmen konnte, war Duke Ellingtons Band, die der Jazzpianist von 1924 bis 1974 leitete.
Ikone der Jugendrebellion
Anders als die braven, melodiösen Beatles war die im Südstaatenblues wurzelnde Musik der Stones und ihr Auftreten ein Angriff auf die bürgerliche Wohlanständigkeit. Jagger und seine Mitstreiter taten alles, um die konservative Moral der 1960er-Jahre herauszufordern. Sie spuckten, fluchten, knurrten und schmollten, bohrten bei Pressekonferenzen ostentativ in der Nase und urinierten in der Öffentlichkeit. Jaggers Texte waren häufig unzusammenhängend, wirklich subversiv war die Musik der Stones. Bei ihren Konzerten gerieten die Jugendlichen regelmäßig außer Rand und Band und legten die Säle häufig in Trümmer.
Wohl niemand verkörperte den rebellischen Geist der Sechzigerjahre so sehr wie Mick Jagger. Sein berühmter Refrain „I Can’t Get No Satisfaction“ war das Fanal einer unruhigen Jugend, die gegen die bürgerliche Moral und die verkrusteten gesellschaftlichen Strukturen aufbegehrte.
Jagger machte ständig Schlagzeilen. Einmal drohte ihm eine Gefängnisstrafe, weil er und seine Freundin mit Rauschgift erwischt worden waren. Dann demonstrierte er gegen den Vietnamkrieg und schlug die Abschaffung des Privateigentums vor. Die britischen Trinkwasserreservoire wollte er gar mit LSD auffüllen, um das ganze Land high zu machen. Dann schickte er den Text seines Protestsong „Street Fighting Man“ an ein marxistisches Magazin, wobei er die Zeile „I’ll Kill the King“ in Großbuchstaben hervorhob. Möglicherweise war dies der Grund, warum es die Queen Jahre später bei der Verleihung der Ritterwürde vorzog, sich von ihrem Sohn Prinz Charles vertreten zu lassen. Ein ständiges Thema in der Presse bildeten Jaggers unzähligen, zumeist kurzzeitigen Affären und Liaisons mit Frauen, manche von ihnen Prominente wie Carla Bruni, Margaret Trudeau, Angelina Jolie und L’ Wren Scott.
Schillernde Persönlichkeit
Vieles von dem, was Jagger tat und sprach, war freilich reine Pose, bei der Stil über Substanz triumphierte. „Freut mich, Sie kennenzulernen! Ich hoffe, Sie haben meinen Namen erraten“, singt er im berühmten Stones-Klassiker, „Sympathy For The Devil“. Dabei hat er es einem nie leicht gemacht zu erraten, wer sich wirklich hinter seinen vielen Masken verbirgt. Sein Image als böser Junge war jedenfalls glatt erfunden. Jagger sollte für die Jugendlichen attraktiv wirken, indem er die Eltern schockierte. Eine Taktik, die sich als sehr erfolgreich erwies, da seine Kritiker darum wetteiferten, ihn anzuprangern. Jagger selbst bestand darauf, dass er völlig authentisch war. „Die Welt der Erwachsenen war eine sehr geordnete Gesellschaft“, erklärte er 1995 in einem Interview mit dem Magazin „Rolling Stone, „… und ich habe dagegen rebelliert.“
Wenn dem so ist, war es eine sehr kurzlebige Rebellion. Die dissidente Haltung des Musikers war immer sehr wackelig, mehr schrilles Kostüm der Meuterei als wirkliche Herzensangelegenheit. Zwar marschierte Jagger am 27. Oktober 1968 bei der Demonstration gegen den Vietnamkrieg vor der US-Botschaft am Grosvenor Square mit, doch als er aufgefordert wurde, sich an die Spitze der 20.000 Demonstranten zu stellen, kniff er und machte sich davon. „Was kann ein armer Junge schon tun? Außer für eine Rock-n-Roll-Band zu singen“, beschwichtigte er seine Kritiker und Fans im Song „Street Fighting Man“. Und auch seine angeblich radikale Haltung gegenüber Kapitalismus und Konsumterror war kaum mehr als eine Attitüde. Seit langem betrachtet der ehemalige Student der elitären London School of Economics die Band und ihre Musik als ein florierendes Geschäftsmodell, bei dem der Taschenrechner und nicht sein gutturaler Gesang das wichtigste Instrument ist. Nicht umsonst galt er manchen als singender Buchhalter.
Erfolgreicher Rock-Tycoon
Mehr als jeder andere verwandelte er die Rolling Stones in ein gigantisches Unternehmen. Seit 1980 beträgt der Erlös aus Eintrittskarten zu Stones-Konzerten mehr als 2 Milliarden Dollar. Laut RIAA-Zahlen hat die Band in ihrer Karriere über 66 Millionen Alben verkauft. Seit 1980 haben Mick Jagger & Co laut Angaben der Fachzeitschrift Pollstar mehr als 2,1 Milliarden Dollar mit ihren Tourneen eingenommen. Allein die „No Filter Tour“, die von 2017 bis 2019 lief und nach der Pandemie im Jahr 2021 fortgesetzt wurde, spielte laut Billboard Boxscore mit nur 58 Shows 547 Millionen Dollar ein. Und Jaggers Privatvermögen wird auf 500 Millionen Dollar geschätzt. Hierzu passt, dass er seit Jahren den Lebensstil eines Mitglieds der britischen Gentry spielt und gerne in den höchsten Kreisen der Gesellschaft verkehrt.
Ein Urgestein, das kein Moos ansetzt
Ungeachtet solcher Widersprüche ist der Mann ein Phänomen. „Wie blöd ist es doch, alt zu werden“, sang Mick Jagger im Rolling Stones Hit „Mother’s Little Helper“ Ende 1965, in dem er die Hausfrauen im mittleren Alter verhöhnt, weil sie Unmengen an Pillen gegen ihre Depressionen schlucken. Da war er mal gerade 22 Jahre. Wenn es für Jagger, der heute 80 wird, eine Qual ist, alt zu werden, dann hat er es jedenfalls nicht gezeigt. Im neunten Lebensjahrzehnt bringt der Musiker bei einer Größe von 1,78 Metern gerade einmal 70 kg auf die Waage. Seine Taille misst angeblich immer noch 33 Zentimeter. Trotz seiner Herzoperation, der er sich 2019 unterziehen musste, zeigt sich der Rockstar noch erstaunlich fit, „moves like Jagger“, wie es im Song der US-Popband Maroon 5 heißt: Er stolziert und sprintet über die riesigen Bühnen, fast wie in alten Tagen. Wohl kaum jemand hätte je gedacht, dass der Stone, der in den frühen Jahren einen exzessiven Lebensstil pflegte, gleichzeitig so gut und so alt sein kann.
Wie es sich für einen „vermögenden Mann mit Geschmack“ gehört, feiert Mick Jagger seinen Geburtstag heute mit einer riesigen Party im Chelsea Physic Garden im Südwesten Londons, berichtet die britische Boulevardpresse. Das ist der zweitälteste Botanische Garten Englands und ein wunderschöner, standesgemäßer Ort. Unter den 300 handverlesenen Gästen werden natürlich auch seine Partnerin Melanie Hamrick sowie seine Bandkollegen Ronnie Wood und Keith Richards dabei sein. Auch wir schließen uns den Millionen Gratulanten an.
DIE ROLLING STONES DEFINITIVE FORTY LICKS COLLECTION ERSCHEINT DIGITAL UND AUF VINYL IN LIMITIERTER AUFLAGE + DOLBY ATMOS
Heute wird auch zum ersten Mal in digitaler Form „The Rolling Stones‘ Forty Licks“, das Album, das drei Dutzend der beliebtesten und hymnischsten Songs aus der unvergleichlichen Karriere der Gruppe versammelt, veröffentlicht. Zwei Tage später wird es, ebenfalls zum ersten Mal, in einer aufwändigen, limitierten Vier-Disc-Version auf schwarzem 180-Gramm-Vinyl in einer Klapphülle mit breitem Rücken erhältlich sein. Gleichzeitig haben Stones-Fans die Möglichkeit, neue Dolby-Atmos-Versionen der 40 Tracks des Albums zu streamen.
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