Marianne Faithfull: Negative Capability

Ehrlich währt am längsten, sagt ein Sprichwort, eine Tugend, die leider heute immer weniger beherzigt wird. Vielleicht hebt sich schon deshalb NEGATIVE CAPABILITY wohltuend von den heutigen Klanglandschaften ab.

Marianne Faithfull ist ein Phänomen. Vor mehr als einem halben Jahrhundert machte ihr erster Hit „As Tears Go By“ die damals 16jährige über Nacht zu einem internationalen Star. Es folgten Alben, Rollen in Filmen wie „Nackt unter Leder“ (1968) und „Hamlet“ (1969), bevor sie nach einer turbulenten Affäre mit Mick Jagger als Alkoholikerin und Heroinsüchtige abstürzte und als Obdachlose auf den Straßen Londons landete. Doch Faithfull kam wieder auf die Beine, schüttelte mit ihrem international erfolgreichen Album „Broken English“ die Dämonen der Vergangenheit ab. Mit NEGATIVE CAPABILITY, legt die 71jährige Britin jetzt ein Album vor, das mit brutaler Ehrlichkeit die Welt an ihrem Leben und ihren Gefühlen teilhaben lässt.

Der Titel ist einem Brief des englischen Romantikers John Keats aus dem Jahre 1817 entlehnt und beschreibt das Vermögen, die Ungewissheiten, Geheimnisse und Zweifel als das zu belassen, was sie sind, ohne zu versuchen, sie mit den Mitteln der Logik zu erklären.

Musikalisch standen ihr Nick Cave und Warren Ellis von The Bad Seeds sowie der Singer-Songwriter Ed Harcourt, Produzent Rob Ellis und Gitarrist Rob McVey zur Seite. Sie alle arbeiten seit vielen Jahren mit Faithfull zusammen, doch hier spielen sie zum ersten Mal zusammen als eine Band, die sich zwei Wochen lang in einem Studio in einem Chateau an der Seine eingeschlossen hatte, um die Songs aufzunehmen.

Herausgekommen ist ein exzellentes, außerordentlich beeindruckendes Album. Die Texte sind intelligent, nachdenklich, bisweilen voller Schwermut, ohne je in Larmoyanz abzugleiten.

Mit tiefer, rauer, brüchiger Stimme, die zutiefst berührt, singt sie vom Altwerden, von der Liebe, vom Verlust lieber Freunde, von der Einsamkeit und vertanen Chancen. Gesungene Poesie, die sich auch ebenso gut als Gedicht sprechen ließe.

Das Album eröffnet mit dem Song „Misunderstanding“, der mit seiner düsteren-klagenden Melodie den Ton des Albums setzt.
„Born To Live“, bei dem Nick Cave sie am Klavier begleitet, ist eine Hymne an ihre langjährige, 2017 verstorbene Freundin Anita Pallenberg, die von unserer körperlichen Vergänglichkeit erzählt. Mit „As Tears Go By“ kehrt Faithfull an ihre musikalischen Anfänge zurück.

I’m known by many different names,
My good friend Will calls me Puck and Robin Goodfellow,
I follow the Gypsy Faerie Queen
And I follow the Gypsy Faerie Queen

She walks the length and breadth of England,
Singing her song, using her wand,
To help and heal the land and the creatures on it,
She’s dressed in rags of moleskin
and wears a crown of Rowan berries on her brow…

And I follow, follow, follow,
The Gypsy Faerie Queen,
We exist, exist, exist, exist,
in the twilight in-between.

She bears a blackthorn staff
To help her in her walking,
I only listen to her sing,
But I never hear her talking anymore,
Though once she did,
Though once she did…

And I follow, follow, follow
My Gypsy Faerie Queen,
We exist, exist, exist,
in the twilight in-between,

And I follow, follow, follow,
My Gypsy Faerie Queen,
We exist, exist, exist,
in the country in-between,
Me and my Gypsy Queen.

Written by Marianne Faithfull / Nick Cave
Publishers: BMG / Kobalt Music Publishing

Marianne Faithfull – Negative Capability

Album VÖ: 02.11.18
Label: BMG Rights Management


Titelfoto: Yann Orhan

Standardbild
Hans Kaltwasser
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