Ziele öffentlich zu machen und Grundsatz-Erklärungen abzugeben, die oftmals von öffentlicher Bedeutung sind, darunter versteht man ein Manifest. Der Film „Manifesto“ von Julian Rosefeldt speist sich inhaltlich aus einer Vielzahl von Manifesten und ist selbst zu einem geworden.
Ganz unverfänglich weisen die Anfangsszenen darauf hin, dass der Film ein sehr explosiver Stoff ist: Vier alte Damen haben einen großen Spaß daran, eine Feuerwerksrakete in ihrem Garten hochgehen zu lassen.
Unmittelbar danach sieht man einen Obdachlosen mit seinem Hab und Gut durch eine seelenlose Abbruchsiedlung schlurfen. Dargestellt von der zweifach oscarprämierten Schauspielerin Cate Blanchett, die Monologe aus verschiedenen Manifesten in ihren unterschiedlichen Rollen spricht.
Manifesto – Kunst ist Schein
Bald darauf ist sie als Fabrikarbeiterin zu sehen, die nach dem Frühstück zur Arbeit in eine Müllverwertungfabrik aufbricht. Hässliche Überreste unserer Kultur, gleichmütig werden sie von der Arbeiterin entsorgt. Kunst eine riesige Schweinwelt, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat?
Lucio Fontana, “Manifesto Blanco” (1946)“ „Wir appellieren an alle aufrechten Intellektuellen, Schriftsteller und Künstler, endlich die trügerische Vorstellung fahren zu lassen, Kunst könne um ihrer selbst willen existieren oder Künstler könnten von Ferne auf die historischen Konflikte blicken, in denen jeder Mensch Partei ergreifen muss.“
So werden wir von Cate Blanchett in verschiedene Episoden durch eine Zeitreise geführt: Eine Brokerin, die mit ihren Kollegen*innen eng nebeneinander in einem Raum sitzt, der wie eine große Bibliothek aussieht.
Eine konservative Mutter, die am Mittagstisch ein Kunstgebet herunterleiert, was sie sich alles als Kunst erbittet.
„Ich bin für jede Kunst, die ihre Form von den Linien des Lebens nimmt„ FLUXUS / MERZ / PERFORMANCE
Die Reise ist mit Texten aus Vergangenheit und Gegenwart gefüllt, die sich kritisch mit Literatur, bildender Kunst, ja mit der menschlichen Kultur auseinandersetzen, darunter Texte von Futuristen, Dadaisten, Fluxus-Künstlern, Suprematisten, Situationisten und anderer Künstlergruppen, sowie Überlegungen einzelner Künstler, Architekten, Tänzer und Filmemacher.
Rosefeldt empfand sie als „vor Lebhaftigkeit sprudelnde Texte (…), die man auch aufführen kann. Sie inspirierten ihn dazu, gemeinsam mit Cate Blanchett, zwölf szenische Filmsequenzen zu entwickeln, die dem Betrachter/ der Betrachterin, obwohl digital vernetzt und global unterwegs, noch mehr zu bieten haben.
Denn die Collage präsentiert uns kurz hintereinander Verschiedenes und Gleiches, Visionäres und Gegenwärtiges, schafft einen Zusammenhang, den es in der Wirklichkeit selten gibt, verwebt Bilder miteinander und kreiert ein Gesamtkunstwerk.
„Die Wahrheit ereignet sich niemals außerhalb von uns.“ Manuel Maples Arce, “A Strident Prescription” (1921)
Der Film ist zugleich eine Hommage an die perfektionierte Schauspielkunst in Gestalt der Blanchett, doch, wie ich finde, auch an die Maskenbildnerkunst, die wirklich zaubern kann. In der Kunst ist eben fast alles möglich! Ein tolles Kinokunst-Erlebnis.