MaerzMusik – Festival fur Zeitfragen hat sich zum Ziel gesetzt, dem Phanomen Zeit in seinen gesellschaftspolitischen, philosophischen und kunstlerischen Dimensionen kontinuierlich nachzuspuren. Der Festival-Logik des Events zum Trotz wollen wir uber die Jahreszeitraume hinweg Erfahrungen vertiefen, Fragen erneut stellen, Gedanken weiterentwickeln und Wiederbegegnungen ermoglichen.
Die zweite Ausgabe des neu konzipierten Festivals imaginiert das Digitale Universum als Geburtsort neuer Zeitformen – digitaler Zeitformen, die unsere Lebenswelt zunehmend pragen und deren Vor- und Nachteile wir taglich zu spuren bekommen. Die globale Echtzeit digitaler Technologien lasst raumliche Distanzen kollabieren; sie schafft neue Masstabe der Geschwindigkeit, schafft Fakten innerhalb von Zeitspannen, die weit unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle liegen; sie eroffnet ungeahnte Freiraume und Freizeiten, die freilich umgehend wieder geschlossen werden von den zahllosen Optionen, Wahlmoglichkeiten und Versprechungen, die die Welt des digitalen Kapitalismus standig hervorbringt.
„Was geschieht mit unserer Zeit?“ – diese haufig gestellte Frage erhalt im Licht digitaler Zeitlichkeit eine neue Farbung. „Time and the Digital Universe“ lautet der Titel der Eroffnungskonferenz von „Thinking Together”, ein einwochiges Diskurs-Format, das der gemeinsamen Erforschung solcher Zeitfragen gewidmet ist. An die Konferenz anschliesend beschaftigt sich ein Abend mit algorithmischer Komposition und neuen Horizonten in der kunstlerischen Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.
Eine Reihe von Projekten schafft Raum fur die Eigenzeiten der Musik, die sich der Beschleunigung, Standardisierung und Effizienzsteigerung entziehen: Vom Eroffnungsprojekt „time to gather“ mit Marino Formenti uber das vierstundige Konzertexperiment „alif“ und die Klanginstallation von Mazen Kerbaj bis hin zum grosen Abschlussprojekt „The Long Now“ entwickelt und prasentiert MaerzMusik Formate, in denen sich Zeit selbst – und mit ihr andere Formen der Wahrnehmung und der Begegnung – entfalten kann.
In eine ganzlich analoge Schicht der Zeit- und Selbstbetrachtung fuhrt eine Projektgruppe rund um Franz Schuberts Liederzyklus „Die Winterreise“, bestehend aus Elfriede Jelineks schonungsloser Gegenwartsanalyse „Winterreise. Ein Theaterstuck“, gelesen von Sophie Rois, Bernhard Langs Meta-Komposition „The Cold Trip“, dem Musiktheater „LIEBE“ von Daniel Kotter und Hannes Seidl und Ian Bostridges erschutternder Schubert-Interpretation.
Und schließlich steht MaerzMusik 2016 im Zeichen aktueller kompositorischer Positionen. In zwei Konzertprojekten mit dem Plus-Minus Ensemble und dem Ensemblekollektiv Berlin werden neue Arbeiten u.a. von Joanna Bailie, Matthew Shlomowitz, Alexander Schubert, Eduardo Moguillansky und Timothy McCormack vorgestellt.
11. bis 20. März 2016
Weitere Informationen und Programm unter Berliner Festspiele
Titelbild thinking _ © Kai Bienert