Einen großen Teil ihrer Kindheit verbrachte Khadra Sofi in Deutschland – in der ehemaligen DDR, denn ihr Vater war als Diplomatischer Rat dort Mitarbeiter der Botschaft des Landes Somalia. Deswegen durchlebte Kahdra eine unbeschwerte Kindheit, auch wenn sie sich immer zwischen zwei Kulturen bewegte. Denn Mutter und Oma bewahrten die Tradition ihres Herkunftslandes, irgendwann ging es ja auch wieder nach Somalia zurück. Das passierte jedoch schneller, als es Khadra lieb war.
Der Vater und die gesamte Familie müssen zurück nach Mogadischu. Für Khadra eine große Enttäuschung, denn sie muss ihren gerade gewonnenen Schulfreunde zurücklassen. Zwar ist sie sogleich auch von der überwältigenden Natur, der Sonne und dem bunten Treiben in ihrer neuen alten Heimat berührt, doch richtig glücklich ist sie nicht. Zu unterschiedlich ist das Leben zu dem bisher gewohnten in Deutschland. Erst in der deutschen Schule in Mogadischu lebt sie inmitten der Deutsch sprechenden Schulkinder wieder auf.
Schnell wirkt sich aber der Bürgerkrieg auf das Leben der Familie aus, der zwischen lokalen Clans, radikal islamischen Gruppen und Piraten bis heute anhält. Die Familie muss aus ihrem geräumigen Haus in ein kleineres Haus von Freunden umziehen. Auch dort sind sie bald nicht mehr sicher. Nur mit Hilfe eines Freundes des Vaters gelingt ihnen die Flucht nach Ägypten.
Dort kämpft die 12-jährige gemeinsam mit ihrem Vater darum, die Familie bis zur Weiterreise nach Europa einigermaßen durchzubringen. Länger als gedacht müssen sie in Ägypten verweilen, bis sie endlich nach Deutschland gelangen, wo sie in Bonn in einer Aufenthaltsunterkunft für Flüchtlinge einquartiert werden. Anders als erhofft, muss der Vater, obwohl mit mehreren Bundesverdienstkreuzen ausgezeichnet, immer wieder um Aufenthaltserlaubnis für sich und seine Familie kämpfen. Diesem mit großem Charisma und Würde ausgestatteten Mann fällt das immer schwerer. Khadar ist ihm zwar immer eine wertvolle Hilfe, doch ändern können sie ihren Füchtlingsstatus nicht. Eine deutsche Staatsangehörigkeit bleibt ihm und der Familie verwehrt. Bis der Vater beschließt, nach London zu gehen. Allerdings ohne Khadra, die unbedingt in Bonn bleiben will….
Die Autorin Khadra Sofi erzählt sehr lebendig und ausführlich über ihr bewegtes Leben zwischen zwei Kulturen, die teilweise traumatischen von Gewalt und Missbrauch gekennzeichneten Erlebnisse in ihrer somalischen Heimat. Und über die Schwierigkeit zu verstehen, warum sie ihr Leben in Deutschland nicht nahtlos an das vorherige in Ostberlin anschließen kann. Dabei gelingt es ihr eindrucksvoll, die Situation von Flüchtlingen deutlich zu machen und damit schließlich auch für die jüngsten Geschehnisse in Lampedusa zu sensibilisieren. Ein empfehlenswertes Buch, das den eigenen Horizont erweitert. Ingrid Mosblech-Kaltwasser
Das Mädchen, das nicht weinen durfte
Autorin: Khadra Sufi
Paperback, Klappenbroschur
288 Seiten
ISBN: 978-3-517-08946-1
Verlag: Südwest
Erscheinungstermin: 16. Januar 2013
Khadra Sufi, geboren 1980 in Mogadischu, Somalia, wächst als Diplomatentochter in Sambia, Saudi-Arabien und der ehemaligen DDR auf. Heute lebt sie bei Köln und arbeitet als Moderatorin und freie Journalistin.