Sie war Model, griff dann selbst zur Kamera und hielt als eine der Ersten die Verbrechen der Nationalsozialist:innen in den befreiten Konzentrationslagern in Dachau und Buchenwald fotografisch fest – Lee Miller. Jetzt zeigt das Bucerius Kunst Forum Werke der renommierten Fotografin zwischen Krieg und Glamour.
Sie gehört zu den vielseitigsten Fotografinnen und Fotojournalistinnen des 20. Jahrhunderts. In ihrem Œuvre vereint Elizabeth „Lee“ Miller (1907 – 1977) gegensätzliche Genres wie den Surrealismus, Mode-, Porträt und Reisefotografie sowie Kriegsberichterstattung. Inhaltlich und geografisch brach Miller immer wieder zu neuen Ufern auf. Die Schau zeigt, wie Lee Millers biografische Stationen ihre fotografische Herangehensweise beeinflussten. Anhand von 150 Aufnahmen aus der Zeit von 1929 bis 1973 wird die ganze Breite ihres Lebenswerkes sichtbar.
Die Ausstellung fasst Millers Schaffensphasen unter den Kapiteln Fotomodell, Mode und Porträts, Surrealismus, Frauen im Krieg, Millers Krieg, Befreites Paris, Konzentrationslager, Food, Friends & Farley Farm und Kochkunst zusammen.
In den 1920er Jahren stand Lee Miller den bekanntesten Fotografen des 20.Jahrhunderts Modell. Nach zwei Jahren vor der Kamera wechselte sie die Seite. In Paris lernte sie den Fotografen Man Ray kennen. Sie arbeiteten an gemeinsamen Fotoprojekten und experimentierten mit der Technik der Solarisation. In ihrem künstlerischen Streben fand Miller Anschluss an die progressive Kunstszene von Paris. Sie beschäftigte sich mit den Stilmitteln des Surrealismus und entwickelte ihre eigene künstlerische Sprache.
1932 verließ sie Paris und kehrte in ihre Heimat New York zurück, wo sie für zwei Jahre ein äußerst erfolgreiches Fotostudio betrieb. 1934 heiratete sie den ägyptischen Geschäftsmann Aziz Eloui Bey und zog mit ihm nach Kairo. Ihr eigener, im Surrealismus wurzelnder Blick für eine mehrdeutige Wirklichkeit findet sich in den Naturformen ihrer Landschaftsbilder wieder. In der ägyptischen Wüste entstanden viele ihrer bekanntesten surrealistischen Arbeiten, wie Portait of Space. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, lebte Miller mit ihrem neuen Partner, dem englischen Künstler Roland Penrose, in London.
Ab 1940 arbeitete sie als Fotografin für die Vogue. Die in London entstandenen Aufnahmen sind häufig kunstvoll inszeniert und deutlich vom Surrealismus geprägt. In Reportagefotografien hielt sie die gesellschaftlichen Umstände und desaströsen Folgen des Zweiten Weltkrieges fest. 1942 akkreditierte sie sich als eine von wenigen Amerikanerinnen bei der US Army als Kriegsreporterin und berichtete ab 1944 an vorderster Front für die Vogue: Sie fotografierte die Eroberung der Normandie durch die Alliierten und bewegte sich mit den vorstoßenden amerikanischen Truppen durch Europa.
Lee Miller fotografierte die Folgen des Zweiten Weltkrieges in Deutschland und Österreich
Lee Miller gehörte auch zu den Reporter:innen, die die Befreiung von Paris miterlebten und dokumentierten. Ab 1945 fotografierte Miller die Folgen des Krieges in Deutschland und Österreich und hielt als eine der Ersten die Verbrechen der Nationalsozialist:innen in den soeben befreiten Konzentrationslagern in Dachau und Buchenwald fotografisch fest. Während einer Zwischenstation in München hielt sie sich in der von amerikanischen Soldaten besetzten Privatwohnung von Adolf Hitler auf.
Dort entstand das berühmt gewordene Foto, auf dem sie sich in der Badewanne des Diktators abbilden ließ. Die Stiefel, die sie während ihres Besuchs des Konzentrationslagers in Dachau getragen hat, stehen auf der schmutzigen Badematte vor der Wanne. Inszeniert wird die Besitzergreifung der Intimsphäre des besiegten Feindes just an seinem Todestag.
Die eindringlichen Kriegsreportagen für die Vogue machten Miller zu einer der renommiertesten Bildjournalistinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre durch den Surrealismus geprägte fotografische Praxis erlaubte es ihr, sich dem grauenvollen Anblick der gerade befreiten Konzentrationslager Dachau und Buchenwald in einer besonderen, unerschrockenen Art zu nähern.
Nach Kriegsende kehrte Miller – traumatisiert von ihren Erlebnissen – nach England zurück und legte ihre Arbeit als professionelle Fotografin nieder.Sie entdeckte das Kochen für sich, kreierte Gourmetrezepte und empfing die Kunstszene Europas in ihrem Haus in Sussex.
Zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag ein umfangreicher Katalog mit Beiträgen von Ami Bouhassane, Elisabeth Bronfen, Karin Gimmi, Cathérine Hug und Katharina Menzel-Ahr.
LEE MILLER
FOTOGRAFIN ZWISCHEN KRIEG UND GLAMOUR
Zu sehen vom 10. JUNI BIS 24. SEPTEMBER 2023 im Bucerius Kunstforum Hamburg
Titelfoto: Lee Miller, Floating head, Mary Taylor, New York, 1933
© Lee Miller Archives, East Sussex, England.
www.leemiller.co.uk