Die feministische Philosophin Judith Butler formulierte und forderte bereits vor über dreißig Jahren eine radikale Gleichheit, die über Geschlechterforschung hinauswies. Der Titel der Ausstellung „Die unhintergehbare Verflechtung aller Leben“ in der Kunsthalle Düsseldorf bezieht sich auf ein Interview von The Collective Eye mit Judith Butler aus dem KUNSTFORUM International, Band 285, in dem Judith Butler dazu Stellung nimmt.
1960er-Jahren bis heute
In der Ausstellung sind sechs Künstlerinnen mit ihren Werken zu sehen, die eine Prozessualität aufzeigen, die die Betrachterinnen aus den 1960er-Jahren bis heute, von Malerei, über Zeichnung zu Skulptur und Installation, von Feminität über Maskulinität zu Diversität führt. Vor allem ist es aber ein Prozess zur Stärkung, zum Empowerment. In den Werken selbst, aber auch in ihrer Zusammenstellung bilden sich Gruppen, Zusammenschlüsse und Prozesse, die, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, zahlreiche Parallelen erkennen lassen. Sie zeigen den Kampf für Gerechtigkeit und Selbstbestimmung, der jüngst in der feministischen Revolution im Iran mündete, den Künstlerinnen seit langer Zeit und auch noch bis heute in einer noch immer cis-männlich dominierten (Kunst-)welt regelmäßig führen müssen.
Das Weibliche als Motiv
„Das Weibliche“ als Motiv wird in einen zeitgenössischen Kontext gerückt. Die Frau ist nicht mehr schönes Beiwerk oder Projektionsfläche des male gaze, sondern Hauptfigur und Identitätsträgerin des Werks. Frauen, als Einzelfiguren, in Gruppen oder als Teil einer Familie oder eines Volksstamms, stehen für sich selbst ein und für alle, die sie repräsentieren. Sie sind starke, selbstbestimmte und sich ihrer Position bewusste Heroinnen einer neuen Erzählung von Femininität. Gleichzeitig werden klassische Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit hinterfragt.
Auch bisweilen als „weiblich“ oder „feminin“ gelesene Materialien und Techniken, wie Stoff, Perlen, Garn bzw. Nähen, Sticken, Collage, werden aufgegriffen und in einen zeitgenössischen Zusammenhang gesetzt. Diese, lange Zeit als Kunsthandwerk oder Dekoratives degradierten, Ästhetiken werden laut und überbordend und mit expressiver und impulsiver Farbigkeit in geradezu poppiger Weise genutzt.
Die Werke der sechs Künstlerinnen: Keltie Ferris ( 1977 in Louisville/USA), Ilse Henin (* 1944 in Köln/DE), Hayv Kahraman (* 1981 in Bagdad/IRQ), Gisela McDaniel (* 1995 in Nebraska/USA), Soraya Sharghi (* 1988 in Teheran/IRN) und Emma Talbot (* 1969 in London) eint die Verflechtung von vermeintlich klassischen, als weiblich gelesenen Motiven, sie alle haben sie jedoch zu völlig unterschiedlichen Sujets weiterentwickelt.
Die unhintergehbare Verflechtung aller Leben
24.6. – 17.9.2023
Titelbild: Installationsansicht “Die unhintergehbare Verflechtung aller Leben”, Kunsthalle Düsseldorf, 2023.
Foto: Katja Illner