Kinder sind sehr beeinflussbar, das gilt im positiven wie im negativen Sinne. Der Dokumentarfilm KLEINE GERMANEN von Frank Geiger und Mohammad Farokhmanesh zeigt das in bedrückender Weise. Denn hier geht es um die erzieherische Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen, die mit ihren neonazistischen Eltern in einem rechten, demokratiefeindlichen Umfeld aufwachsen.
Kinder wollen Aufmerksamkeit und Liebe, es fehlt ihnen an Urteilskraft. Ideologien, die die Kinder sozusagen mit der Muttermilch aufnehmen, haben deshalb leichtes Spiel. Elterliche Verhaltensmuster und Rollenbilder werden bis zu einem bestimmten Entwicklungsalter kritiklos übernommen.
Der Film beleuchtet solche Schicksale. Elsas Geschichte steht dabei im Vordergrund. Die Eltern sind berufstätig und so wird Elsa von ihrem Großvater betreut.
Ein früherer SS-Soldat, der jedoch immer noch an die Verheißungen und das Gedankengut der Nazizeit glaubt. Das bleibt nicht ohne Folgen. Denn Elsa, die ihren Großvater sehr liebt, übernimmt seine spielerisch erprobten Überzeugungen. Dass deren Grundlagen Hass und Lügen sind, erfährt sie in ihrer ganzen Bedeutung erst, als sie selbst bereits Kinder hat.
Neben Elsas Lebensgeschichte kommen Experten zu Wort, werden Gespräche mit rechten Aktivisten und Aussteigern aus der rechten Szene gezeigt.
Geiger und Farokhmanesh überfrachten und beeinflussen nicht durch eigene Ansichten oder Meinungen. Allein ihre sorgältige Recherche überzeugt den kritischen Zuschauer. Und eine kritische Haltung ist heute unbedingt notwendig. Doch wie es aussieht, sind Teile der Gesellschaft leider nicht davor gefeit, rechte Gesinnung wieder aufleben zu lassen.
Familie als Mikrokosmos ist immens wichtig, wenn es darum geht, demokratische Werte zu vermitteln, um vor Ideologien schützen zu können.
Ein intelligenter und wichtiger Dokumentarfilm.
Deutscher Kinostart: 9. Mai 2019
Wir verlosen 2×2 Kinokarten. Wer an der Verlosung teilnehmen möchte, schreibt bitte unter Angabe der Adresse an imk@der-kultur-blog.de. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Verlosung endet am 13. Mai.
http://www.littledream-entertainment.com
Regie: Frank Geiger; Mohammad Farokhmanesh
Drehbuch: Frank Geiger; Mohammad Farokhmanesh; Armin Hofmann
Die wahre Geschichte hinter dem Film
Über die Entstehung von KLEINE GERMANEN
Ein grundlegendes Problem – welches schon vor Beginn der Produktion zu bewältigen war – bestand darin, dass Aussteiger aus der rechten Szene aus Gründen der persönlichen Sicherheit nicht gefilmt werden wollten. Bei der tragischen Geschichte der im Film als Elsa bezeichneten persönlich betroffenen Protagonistin wird daher zum Stilmittel der Animationssequenzen gegriffen. Der Film nutzt die Vorteile der Animationen, die Aussteigerin – die zu ihrer Sicherheit anonym bleiben muss – zu verfremden und kann doch gleichzeitig für ihre Geschichte und Erinnerungen Bilder finden. Mohammad Farokhmanesh erklärt weiter: „Wir haben das Mittel der Animation gewählt, das wir auch schon früher in anderen Filmen wie „Teheran Tabu“ angewendet haben. Denn darüber lässt sich eine Geschichte emotional erzählen.“
Die Repräsentation der Experten im Film
Regisseur Mohammad Farokhmanesh erläutert zudem, dass die Entscheidung, keinen der Experten, die im Film zu Wort kommen, zu zeigen, primär zum Ziel hatte, die Sicherheit der einzelnen Menschen gewährleisten zu können. Aus diesem Grund sind die beigesteuerten Zusatzinformationen der Experten ausschließlich aus dem Off zu hören. Zwar waren einige der Experten damit einverstanden, gefilmt zu werden, doch um die Kontinuität zu wahren und um den Film einheitlich zu gestalten, wurde ausschließlich die Variante mit den Off-Kommentaren eingesetzt. Ein Wechsel hingegen hätte ggf. zu einem Bruch im Filmerlebnis geführt. Visuell ist der Film daher in die Interviews mit den Interviewpartnern aus der rechten Szene und demgegenüber den Animationssequenzen der Geschichte von Elsa gegliedert.
Die Animationssequenzen
Die Optik von Animationsfilmen ist eine Kunst für sich, die sich wandelt und es auch immer wieder schafft, sich neu zu erfinden. Filmliebhaber erkennen in der speziellen Animationsart von KLEINE GERMANEN eine gewisse Ähnlichkeit zu Filmen wie „Waking Life“ (2001) und „Waltz with Bashir“ (2008). Dieser Vergleich ist gar nicht so abwegig, da auch im Fall von „Waking Life“ (2001) als Grundlage der Animationssequenzen real gefilmte Szenen verwendet wurden. Regisseur Mohammad Farokhmanesh erklärt diesen filmischen Kniff folgendermaßen: „Im Prinzip handelt es sich hier um eine 3D-Animation. Wir haben mit Motion Capturing gearbeitet. Das heißt: Schauspieler, die spezielle Anzüge trugen, haben die Bewegungen gespielt, und das wurde dann aufgezeichnet.“ Die Aufnahmen werden anschließend bearbeitet und zu den Animationen, die im Film zu sehen sind. Der Hauptverantwortliche für diese Animationsarbeiten, Peer Pöpperling, arbeitete zuvor schon an Projekten wie „Babylon Berlin” und „Drachenfels” mit.
Die Regisseure
Mit Animationsfilmen haben sowohl Frank Geiger als auch Mohammad Farokhmanesh bereits in der Vergangenheit Erfahrung gesammelt. Schon beim Animationsfilm „Teheran Tabu“, der 2017 seine Premiere auf dem Filmfest in Cannes feierte, arbeiteten die beiden Filmemacher zusammen. Auch als Produzententeam betreuten Farokhmanesh und Geiger gemeinsam Projekte wie „Die Mamba“ (2014) und „45 Minuten bis Ramallah“ (2013) sowie den politischen Dokumentarfilm „Kick in Iran“ (2010).
Die Initiative EXIT-Deutschland
Um diesem gesellschaftlich relevanten Thema einen Kontext durch Expertenstimmen zu geben und mehr über die Betroffenen und ihre Geschichten zu erfahren, arbeiteten die Filmemacher mit der Initiative EXIT-Deutschland zusammen. Diese hilft Menschen, die mit dem Rechtsextremismus brechen und sich ein neues Leben aufbauen wollen. Zugleich setzen sie sich mit der Vorstellungswelt und dem Verhalten von Rechtsextremisten auseinander. Dabei stützen sie sich auf die Werte von persönlicher Freiheit und Würde.
Foto-Copyright brave new work, Little Dream Entertainment