»›O Tigerlilie‹, sagte Alice zu einer Blüte, die sich graziös nach allen Seiten verneigte, ›wenn du doch nur sprechen könntest!‹ ›Ich kann sprechen‹, sagte die Tigerlilie, ›aber nur zu jemandem, der der Rede wert ist.‹«
(Lewis Carroll, Alice hinter den Spiegeln)
Oft bin ich froh, dass meine Katze nicht sprechen kann, weil sie so nichts weiter erzählen kann. Wir wissen aber, dass Haustiere uns auch ohne Worte verstehen und wir sie auch. Pflanzen haben wir bis zu dieser Lektüre hinsichtlich ihrer Begabungen jedoch weitaus unterschätzt. Das hat bereits der englische Autor James Bridle in seinem Buch „Die unfassbare Vielfalt des Seins“ beschrieben und uns vor Augen geführt, wie sehr wir uns damit getäuscht haben. Denn Pflanzen besitzen ein Erinnerungsvermögen und vieles mehr. Die Krimiautorin und Gartenbesitzerin Klaudia Blasl liefert mit ihrem Buch „Keine Zeit, der Garten ruft“ weitere verblüffende Erkenntnisse.
Dabei haben besonders die „bösen“ Pflanzen ihr Interesse geweckt. Denn wenn auch Rosen ganz schön zickig sein können, Bohnen schlagfertig, so ist die Petersilie geradezu mörderisch, was sich in der alten Weisheit niedergeschlagen hat, „den Mann bringt sie nach oben und die Frau unter die Erde“. Doch Eisenhut und Fingerhut haben ein noch größeres Potenzial und manch andere sehr unscheinbar erscheinende Pflanzen ebenso, wie die Autorin auch im Interview verrät:
„(…) nach wie vor macht nur die Dosis das Gift. Selbst mit blühender Petersilie, bitteren Zucchini, einer Suppe aus Narzissenzwiebeln oder drei Tassen Thujennadeltee könnte man aktive botanische
Sterbehilfe leisten. Immerhin bedeutete „Pharmakon“ ursprünglich sowohl Giftstoff als auch Arzneimittel.“
Also ist der Garten nicht unbedingt ein Paradies, auch wenn er wunderschön aussieht und zu unschuldig schönen Momente verhilft, die nicht mit mörderischen Absichten assoziiert werden. Auf jeden Fall ist dieses Buch ein Gewinn für alle interessierten Leser*innen, denn es berichtet rasant und amüsant über Spannendes und Geheimnisvolles aus der eindrucksvollen Pflanzenwelt. Deren pflanzlichen Bewohner konnten Kriege entfachen und Morde einfach machen, wurden als Schwangerschaftstest, Verhütungsmittel oder Viagra genutzt und für vieles mehr.
Das Buch ist beim Verlag Drömer/Knaur erschienen.