KING CRIMSON: Lerchenzungen in Aspik

Heute vor 50 Jahren erschien das fünfte Studioalbum der britischen ProgRocker King Crimson Larks‘ Tongues in Aspic. Lerchenzungen in Aspik waren eine altrömische, als exotisch geltende Delikatesse. Glaubt man den Ausführungen des Kochbuchs des Auspicius wurde sie gerne bei ausschweifenden Festmahlen und Orgien serviert, weil sie den Gaumen und andere Organe kitzelte.

Wir wissen nicht, ob sich Robert Fripp, Mitbegründer der britischen Progrock-Band King Crimson, bei der Suche nach einem Titel für sein fünftes Studio-Album LARKS‘ TONGUES IN ASPIC von der Lektüre des Standardwerks der antiken Haute Cuisine inspirieren ließ. Exotisch mutet das Opus, das vor 50 Jahren erschien, allemal auch noch heute  an.

Weniger Hendrix, mehr Bártók und Miles als Inspirationsquelle

1973 war ein schwieriges Jahr für Robert Fripp. Seine Band King Crimson war nach der Promo-Tournee für das letzte Album „Islands“ wegen unterschiedlicher Auffassungen der Mitglieder über den zukünftigen musikalischen Kompass auseinandergefallen. Fripp, dem die Musik Béla Bartóks und Miles Davis näherstand als die von Jimi Hendrix, schwebte für sein fünftes Studioalbum ein kantigerer, unvorhersehbarer Sound vor. Hierfür holte er zwei neue Schlagzeuger ins Team, die die entgegengesetzten Pole aus dem Bereich der Schlag- und Effektinstrumente repräsentieren sollten: Jamie Muir, ein explosiver, für seine wilde Bühnenpräsenz bekannter Drummer mit einer unkonventionellen Spielweise. Und Bill Bruford, der sich als Mitglied der aufstrebenden Artrock-Band Yes einen Namen gemacht hatte und für ein jazziges, innovatives Schlagzeugspiel stand. Zu dieser Doppelbesetzung fügte der exzentrische Brite den Violinisten David Cross sowie den Bassisten und Sänger John Wetton hinzu.  

Markante musikalische Veränderungen

Das Album enthält sechs Stücke, von denen drei instrumental sind: die beiden Teile der Suite „Larks‘ Tongues in Aspic“ und „The Talking Drum“. Die Songs „Book of Saturday“, „Exiles“ und „Easy Money“ enthalten demgegenüber Gesangsparts. Im Vergleich zu den Vorgängerwerken weist LARKS‘ TONGUES IN ASPIC insgesamt einige deutliche musikalische Veränderungen auf. Saxofon und Flöte wurden als wichtige Melodieinstrumente durch eine dominante Violine ersetzt. Das Schlagzeug war jetzt durch die Hinzunahme einer Vielzahl von exzentrischen Klangkörpern zu einem wahren Perkussionsarsenal erweitert worden. Neben Glockenspiel, Daumenklaviere hört man auch eine musikalische Säge, Shaker und Rasseln. Selbst zufällig gefundene Alltagsgegenstände wie Blech und Spielzeug bereichern als Effektinstrumente die ungewöhnliche Klanglandschaft. Das Mellotron, das seit dem fulminanten Debütalbum „In the Court of King Crimson“ ein fester Bestandteil der Band bildete, wurde dagegen beibehalten und abwechselnd von Fripp und Cross gespielt, die beide auch an den Tasten saßen.

Kontrastreicher Mix an experimentellen und melodischen Klängen

Die Gegensätze zwischen und in den einzelnen Stücken könnten kaum größer sein. Ein nie gekannter Mischmasch aus schweren und sanften, schönen und verstörenden, experimentellen und melodischen Klängen überraschte den Hörer.

Der Song „Larks Tongues in Aspic, Part Two“ ist stark von Fusion beeinflusst, flirtet in Teilen aber auch mit Heavy Metal. „Book of Saturday“ ist dagegen ein sanfter, melodiöser Song mit Pop-Anklängen ist.

Kontrastreich mit abrupten Wechseln in Tonart und Tempi sind auch manche Stücke in sich. Der Song „Larks Tongues in Aspic, Part One“, der die Richtung zeigt, in die sich die Band in den folgenden drei Jahren entwickeln sollte,  baut sich zunächst aus ruhigen Anfängen auf. Muirs zarte Daumenpianomelodie wird von sanft geklöppelten Klangschalen und Glockenspiel kontrapunktiert, bevor David Cross‘ Geige die Führung übernimmt, bis Fripps sägende Gitarre die meditative Ruhe des Anfangs hinterhältig kontaminiert. Mächtige Bassattacken, nervös flackernde Fripp-Akkorde und brutal geknüppelte Drums türmen sich dann abrupt zu einer gewaltigen, bedrohlichen kakofonen Klangskulptur auf, die schließlich ruhigeren, entspannteren Klängen am Ende des Stückes weicht.

Enorm einflussreiches Album

Der kommerzielle Erfolg von LARKS’ TONGUES IN ASPIC blieb wie auch bei den übrigen Werken von King Crimson überschaubar. Das Album landete gerade einmal auf Platz 20 der britischen Charts. Fripp und seine Zuarbeiter waren eben jenseits aller modischen Trends unterwegs, übten jedoch andererseits einen enormen Einfluss aus. Zum Kreis der Verehrer zählten Kurt Cobain, Iron Maiden und Rapper wie Kanye West, der den Allzeit-Klassiker der Band „21st Century Schizoid Man“ für seine Single „Power“ sampelte. 

Standardbild
Hans Kaltwasser
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