KATHEDRALEN DER KULTUR – Sechs Gebäude und sechs preisgekrönte Filmemacher

Architektur gehört zum Kulturgut einer Gesellschaft und sie kann Stätten der Kultur erschaffen – KATHEDRALEN DER KULTUR. Das gleichnamige 3D-Filmprojekt lässt sechs hervorragende und höchst unterschiedliche Bauwerke für sich selbst sprechen. Es erkundet, wie Gebäude unsere Kultur reflektieren. Aufgeladen mit den Gedanken und Gefühlen der Personen, die sie erbauten und die sie benutzen, sind diese Gebäude voller Zeugnisse der Vergangenheit, der Gegenwart und sogar der Zukunft. Sie besitzen ein Gedächtnis und sind ein Abbild unserer Gesellschaft. Sechs renommierte internationale Regisseure verleihen dem Projekt ihren jeweils eigenen Stil und beantworten in einer unverwechselbaren Handschrift die Frage: “Wenn Gebäude sprechen könnten, was würden sie uns erzählen?”

Umkehrung der Perspektive
In KATHEDRALEN DER KULTUR sind die Bauwerke nicht mehr passive Gehäuse für Besichtigungen, Arbeitsplätze, Forschungsarenen oder einfache Unterhaltungsschauplätze. Vielmehr entwickeln die Gebäude ein Eigenleben und übernehmen selbst eine Hauptrolle, um die Zuschauer durch die Räume zu führen. Die Filme vermeiden die Perspektive von Menschen, die sich das Bauwerk ansehen: Es geht umgekehrt um den Blickwinkel des Gebäudes, das die Menschen beobachtet. Ähnlich wie viele andere Dokumentarfilme kommen in KATHEDRALEN DER KULTUR sowohl fiktive als auch dokumentarische Elemente zum Einsatz. Der Film entwickelt seine emotionale Erzählstruktur aus der Hauptfigur – dem Gebäude, das seine Geschichte aus der eigenen Perspektive darstellt.
In jedem Film beantwortet der Filmemacher die Frage: »Wenn Gebäude sprechen könnten, was würden sie uns erzählen?« Aus den Antworten ergibt sich eine Persönlichkeit, und der Dialog entsteht aus der Funktion des Gebäudes und des architektonischen Raums. Entsprechend ist die Seele des Bauwerks männlich oder weiblich, jung oder alt, leidenschaftlich oder distanziert, sanft oder mitreißend…

Berliner Philharmonie
Anfang der 1960er-Jahre standen sich am Potsdamer Platz zwei Bauwerke als konkurrierende Visionen für die Zukunft gegenüber: die Berliner Philharmonie, ein Zeichen der Offenheit und des Aufbruchs und die Berliner Mauer, ein Symbol der Angst und Unterdrückung. Ein halbes Jahrhundert später steht im Herzen von Berlins kulturellem Zentrum, in der einst vom Krieg verwüsteten Stadtlandschaft, nur noch Hans Scharouns legendäre Philharmonie, eine atemberaubende Ikone der Moderne. In Wim Wenders’ Die Berliner Philharmonie erleben wir das Gebäude durch die Augen etlicher seiner Besucher und Mitarbeiter, die alle auf ihre Art tief mit ihm verbunden sind. Wir lauschen den Orchesterproben im Konzertsaal, wo Scharoun die Bühne radikal neu erfand, indem er es wagte, sie mitten im Publikum zu platzieren. Der Film erlaubt uns Blicke und Einblicke in das Innenleben dieses legendären Hauses. Debussys »Jeux« bildet den Soundtrack für die bis heute wegweisende Architektur der Philharmonie.

Interview mit Wim Wenders

Warum haben Sie die Berliner Philharmonie für Ihren Beitrag zu »Kathedralen der Kultur« ausgewählt?
In Berlin hatte ich die Wahl zwischen zwei Gebäuden, die beide Hans Scharoun entworfen hat: die Philharmonie und die Nationalbibliothek, in der ich bereits Teile von Der Himmel über Berlin gedreht hatte. Ich habe mich dann liebend gerne für die Philharmonie entschieden – nicht nur ist das 1963 fertiggestellte Gebäude wunderschön (wir drehten den Film also 50 Jahre nach der Eröffnung), sondern es beruhte auch auf einem bahnbrechenden Konzept: zum allerersten Mal wurde in einem Konzertsaal die Bühne mitten im Publikum platziert. Ein halbes Jahrhundert später wirkt die Philharmonie immer noch wegweisend und außergewöhnlich und ist eine unbestrittene Ikone der Moderne. Aber auch in anderer Hinsicht war der Entwurf visionär, denn er wurde am Potsdamer Platz realisiert, im ehemaligen Zentrum der Stadt, einem nach dem Krieg völlig zerstörten Niemandsland. Während des Baus wurde plötzlich die Berliner Mauer errichtet, und damit war die Philharmonie für die nächsten Jahrzehnte isoliert. Auch das macht sie historisch so interessant.

Wie hat 3D die Schaffung dieses Films beeinflusst?
3D und Architektur ergänzen sich hervorragend. 3D lässt uns in den Raum eintauchen und als Zuschauer können wir das Gebäude, seine Architektur und die Räumlichkeiten auf eine Art erleben, die mit 2D einfach nicht zu erreichen ist. Die Beziehung zwischen dem Medium 3D und dem Gegenstand seiner Betrachtung ist aber fragil. Man kann die 2DFilmsprache nicht einfach in 3D übersetzen, sondern muss tatsächlich eine neue Sprache entwickeln. Auch die akustische Wahrnehmung verändert sich durch 3D. Lange Zeit war der Kinoklang sehr viel komplexer als das Bild. Durch die Erfindung von Stereo wurde das Klangerlebnis räumlich. Doch erst im 3D-Kino bekommen unsere Augen endlich die Freiheit, an die unsere Ohren schon so lange gewöhnt sind. Der kreative Einsatz von 3D steckt noch in einer sehr frühen Entwicklung, und mit Kathedralen der Kultur wollen wir die kreativen Möglichkeiten dieses neuen Mediums weiter ausloten.

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WIM WENDERS
Geboren 1945 in Düsseldorf. Medizin- und Philosophiestudium
in Freiburg und Studium an der HFF in
München. Gründungsmitglied und seit 1996 Präsident
der European Film Academy. 2011 wurde sein
3D-Tanzfilm Pina im Wettbewerb der Berlinale (Außer
Konkurrenz) uraufgeführt und erhielt eine Oscar-
Nominierung. Dreht augenblicklich in Montreal
seinen 3-D-Spielfilm Every Thing Will Be Fine

Die Berliner Philharmonie
Drehbuch und Regie Wim Wenders
Produzenten Erwin M. Schmidt, Gian-Piero Ringel
Kamera Christian Rein
Schnitt Toni Froschhammer
Voice over Meret Becker
Musik Claude Debussy, Johann Sebastian Bach

weitere Filmemacher und Gebäude:

MICHAEL GLAWOGGER und Die Russische Nationalbibliothek

MICHAEL MADSEN (DK) und Das Halden Gefängnis

ROBERT REDFORD (USA) Das Salk Institut

MARGRETH OLIN (NO) Das Oslo Opernhaus

KARIM AINOUZ (BR/D) Das Centre Pompidou

KINOSTART 29. MAI 2014

in 3D in ausgewählten Kinos auch 2D
im Verleih von NFP marketing & distribution*

 

 

Standardbild
Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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