Eine Mahlzeit am Tag. In den von Hunger und Armut betroffenen Ländern unserer Welt ist dies keine Seltenheit. Hier von Askese zu sprechen, verbietet sich von selbst oder wäre höchst zynisch. Wer in unserer konsumgeschwängerten Gesellschaft jedoch von Askese spricht, setzt sich bewusst vom Konsumhype ab und wägt ab, wie viel Konsumverzicht möglich ist.
Um diesen Verzicht geht es in dem Buch „Ich möchte lieber nichts“ des Autors John von Düffel. Dieser Satz ist Dreh- und Angelpunkt und einer Frau zuzuschreiben, die der Autor während seiner Studientage im schottischen Edinburgh kennengelernt hat. Noch nach über dreißig Jahren ist er beeindruckt von Fiona und ihrer Haltung, denn sie sei »Der erste Asket der Zukunft, der mir je begegnet ist«, schreibt John von Düffel in seinem viel gelesenen Stundenbuch ›Das Wenige und das Wesentliche‹.
Viele Fragen möchte er Fiona stellen, die ihn selbst umtreiben und von denen er sich bei ihr Antworten erhofft. Oder die er zumindest im Gespräch weiterdenken kann. Doch die Zeit, die bisher vergangen ist, hat vielleicht einen anderen Menschen mit anderen Ansprüchen und Ansichten geformt.
Als er Fiona trifft, ist sie genau wie damals – scheu und nachdenklich. Nie hatte sie sofort Antworten parat, sondern überlegte und mied vorgefertigte Pauschalen. Doch die zwei Tage, die John und Fiona gemeinsam verbringen, skizzieren nur teilweise ihre Lebens- und Überlebensgeschichten. Wieder zu Hause beginnen sie einen Dialog „der nichts will außer Klarheit, den klarsten Gedanken“, so John.
Was kann das Individuum in Zeiten des Individualismus bewegen, denn sie „stellt das Individuum auf einen Sockel, erhebt das „Solitaire“ über das „Solidaire“. Dieser Individualismus führt zur Einsamkeit und nicht zur Freiheit. Fiona dagegen glaubt, dass der Individualismus ökonomische, handfeste Gründe hat. Und die wichtigste Eigenschaft, die das Individuum besitzt, ist seine Kaufkraft.
Ist eine Gesellschaft denkbar, die unangepasste Individuen verträgt, oder landen diese in der Einsamkeit, weil sie sich im anderen nicht erkennen können? Reicht ein bewusster Konsumverzicht des Individuums aus, um Unabhängigkeit und damit Freiheit zu erreichen? Und sind beide Welten überbrückbar?
Veränderung passiert in jedem Moment. Auch ohne uns. Doch wie wäre es, wenn wir ihr durch maßvollen Konsum eine neue Sinnrichtung geben und so eine andere und bessere Gesellschaft formen. John von Düffel gibt Leser*innen mit seinem Buch „Ich möchte lieber nichts“ eine Fülle an Nachdenkens werten Stoff, um unser Dasein kritisch unter die Lupe zu nehmen. Eine Gegenwartsanalyse über Dialoge zweier unterschiedlicher Individualisten und eine hervorragende Lektüre.
John von Düffel – Ich möchte lieber nichts
Eine Geschichte vom Konsumverzicht
Erscheinungstag:11.11.2024
ISBN:978-3-7558-0010-1
JOHN VON DÜFFEL wurde 1966 in Göttingen geboren, er arbeitete als Dramaturg u. a. am Thalia Theater Hamburg sowie am Deutschen Theater Berlin und ist Professor für Szenisches Schreiben an der Berliner Universität der Künste. Seit 1998 veröffentlicht er Romane, Erzählungsbände sowie essayistische Texte bei DuMont, u. a. ›Vom Wasser‹ (1998), ›Houwelandt‹ (2004), ›Wassererzählungen‹ (2014), ›Klassenbuch‹ (2017), ›Der brennende See‹ (2020), ›Wasser und andere Welten‹ (Neuausgabe 2021), ›Die Wütenden und die Schuldigen‹ (2021) und zuletzt ›Das Wenige und das Wesentliche‹ (2022). Seine Werke wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem aspekte-Literaturpreis und dem Nicolas-Born-Preis.