Joachim Kühn – neues Album „TOUCH THE LIGHT“

Man kennt den deutschen Ausnahmepianisten Joachim Kühn als einen virtuosen Wanderer zwischen den Welten, der ohne Respekt vor Genre-Grenzen alles anpackt,  zeitgenössische Klassik, Rock, Jazz, Improvisationen. Nach „Piano Works“, seiner wilden Hommage an Ornette Coleman aus dem Jahre 2019, lässt es der gebürtige Leipziger auf seinem heute erschienenen Album ruhiger angehen. TOUCH THE LIGHT enthält dreizehn feine Piano-Balladen, die er in seinem Haus auf Ibiza mit einem DAT-Recorder aufgenommen hat. Elf der insgesamt dreizehn Titel sind Kompositionen von Musikern und Komponisten, die Kühn besonders schätzt, zwei Stücke stammen aus seiner eigenen Feder.  

Mit einigen Titeln sind seine eigenen Lebenslinien eng verbunden. „A Remark You Made“ ist eine Komposition des österreichischen Pianisten Joe Zawinul, der 1966 in Wien beim Gulda-Wettbewerb in der Jury saß, an dem Kühn nach seiner Flucht aus der DDR teilnahm. 

Für das Thema „Last Tango in Paris“ hatte der argentinische Filmkomponist Gato Barbieri eigens den deutschen Pianisten engagiert, der die Melodie auch später in seinem Trio mit Daniel Humair und Jean-Francois Jenny-Clark immer wieder gespielt hat.  Und mit seiner Version des Allegretto aus der 7. Sinfonie von Ludwig van Beethoven verneigt sich Kühn hier vor dem deutschen Komponisten und Vorreiter der Romantik, dessen Musik ihn seit jeher fasziniert hat.

TOUCH THE LIGHT ist vielseitiges und vielschichtiges Album, das den Bogen von Klassik über Pop bis zum hin Jazz schlägt. Mal Waldrons „Warm Canto“  ist eine in sich gekehrte minimalistische Etüde. Dem  Allzeit-Klassiker „Purple Rain“ von Prince nimmt Kühn die übersteigerte, nervös flatternde Hysterie des Originals und zeichnet stattdessen ein introspektives, zutiefst melancholisches Stimmungsbild. Den schwitzenden R&B-Song „Fever“ verwandelt Kühn in eine wunderbare energiegeladene Stakkato-Studie, sanft wiegt er sich wiederum in Marleys Reggae-Song „Redemption“.  Und „Peace, Piece“ ist eine  erhabene Version der pastoralen Improvisation von Bill Evans. 

Dass Kühn derlei stilistische Gratwanderungen möglich sind, ohne seinen einzigartigen Charakter zu verlieren, spricht einmal mehr für die Qualität des meisterhaften, feinnuancierten Klavierspiels des Jazzpianisten.    

Neben den elf Cover-Stücken bestechen auch die beiden Eigenkompositionen: das friedvolle, erhabene „Sintra“ und das feine, titelgebende Stück „Touch the Light“, zu dem möglicherweise der Sonnenuntergang im Meer, den Kühn von seinem Musikzimmer aus beobachten kann, die Inspiration geliefert hat.   

Eigentlich, so kann man den Liner Notes dieses großartigen Albums entnehmen, habe er nicht vor gehabt,  ein Balladenalbum vor seinem neunzigsten Geburtstag zu machen. Gut, dass es sich Joachim Kühn doch noch anders überlegt hat und ein Werk mit uns teilt, dessen melodiöse Schönheit und pure Freude an der Musik uns manche Trübseligkeiten des vergangen Corona-Jahres vergessen lassen.  

Joachim Kühn
Touch the Light

Format:CD
ACT
VÖ. Deutschland:26.02.2021

Foto: Joachim Kühn 2020 © Silvio Magaglio

Standardbild
Hans Kaltwasser
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