Jesus Christ Superstar begeistert Berlin

Großartiger, schöner und bewegender können Musicals kaum sein als die gemeinsam von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice geschriebene Rockoper „Jesus Christ Superstar“, die seit fast 44 Jahren immer irgendwo auf der Welt gespielt wird. Wie in Berlin, wo der Allzeit-Kassenschlager am 29. Juli in der Berliner Oper Premiere hatte und vom Publikum zu Recht stürmisch gefeiert wurde.

Anlehnung an biblische Vorlage

In enger Anlehnung an die biblische Vorlage erzählt das Musical die letzten sieben Tage des Lebens von Jesus Christus, wobei die Hauptprotagonisten umgedeutet werden. Judas erscheint hier nicht als Verräter, sondern als Mahner, der mit Sorge beobachtet, dass eine zunehmend fanatisierte Gefolgschaft Jesus zur Kultfigur erhebt und den Argwohn der Priesterschaft weckt, während Jesus selbst, nicht frei von Eitelkeiten, sich in der Rolle eines verehrten Superstars gefällt. Den Warnungen von Judas erweist sich Jesus als unzugänglich. Da beschließt Judas, Jesus verhaften zu lassen, um den Messias vor sich selbst zu schützen und die Bewegung zu retten – ein folgenschwerer Fehler, an dem Judas zerbricht.
Dass der Allzeit-Kassenschlager „Jesus Christ Superstar“ keine Patina ansetzen will, liegt natürlich vor allem an der Musik. Diese zeichnet sich durch kontrastreiche Vielfalt und scharfe musikalische Charakterisierung der beiden Hauptfiguren Jesus und Judas aus. Gefühlvolle Balladen und Soul-Arien stehen neben lauten Rocksongs, kraftvollen Chören und Ensemblenummern.

Imposantes Bühnenbild

Das Bühnenbild der Neuinszenierung ist beeindruckend und düster. Gewaltige Säulen flankieren die Bühne an beiden Enden, während der Hintergrund durch ein u-förmiges Metallgerüst bestimmt wird, das die zentrale bewegliche Treppe ummantelt. Über dem Bühnenraum schwebt drohend eine riesige stilisierte Dornenkrone, die zusammen mit der effektvollen, das Geschehen abwechselnd in satte Rot- und Grüntöne einhüllende Beleuchtung für eine beklemmende Stimmung sorgt.
Die Choreographie ist solide und gefiel insbesondere bei dem Song „Hosanna“.

Exzellente Besetzung

Die Tourneeproduktion unter der Regie von Bob Tomson ist exzellent besetzt. Glenn Carter brilliert als Jesus mit großer stimmlicher und darstellerischer Leistung. Ihm gelingt es, die Tiefe der Gefühle überzeugend zu zeichnen, die Jesus in seinen letzten Tagen durchlebt. Trotz seiner 51 Jahre meisterte der Brite auch die schwierigsten Gesangsparts und wechselte mühelos von sanften, beruhigenden Stimmlagen bis hin zu furchterregendem, qualvollem und kreischendem Falsett-Gesang. Die Kreuzigungsszene verlangt selbst dem durch die mediale Allgegenwart von Gewalt abgehärteten Zuschauer Einiges ab, so intensiv vermittelte Carter Qual und Leid des gemarterten Jesus. Während die wuchtigen Hammerschläge der römischen Soldaten durch den Theaterraum dröhnen, schwingt sich Carters Stimme von weichen dezenten Tonlagen zu kraftvollem Belting und Kopfgesang auf – das hat einfach große Klasse.

Nicht weniger beeindruckte der Australier Tim Rogers, der in der Rolle des Judas mit kraftvoll-bedrohlichem, bisweilen unruhig-nervösem Gesang einen wunderbaren stimmlichen Kontrast zu den sanften, geglätteten Tonlagen von Carters Jesus bildete. Insbesondere in der Selbstmordszene („Judas‘ Death“) berührte Rogers.

X Factor-Gewinnerin Rachel Adedeji glänzte mit ihrer beeindruckenden Soulstimme in der Rolle der Maria Magdalena. Gelegentlich hatte man den Eindruck, dass sie sich ein wenig zurücknahm und das Potenzial ihrer Stimme nicht voll ausschöpfte. Für emotionale bewegende Augenblicke sorgte sie insbesondere mit dem sentimentalen Song „I don’t know how to love him“, in dem Maria Magdalena über ihre widersprüchlichen Gefühle für Jesus reflektiert.

Hervorragend besetzt waren auch die Nebenrollen. Tom Gilling stahl mit einer revueähnlichen Einlage als höchst unterhaltsamer, tuntiger König Herodes für einen Augenblick das Rampenlicht, als er mit dem „Herod’s Song“ Jesus verhöhnte, um ihn anschließend wütend zu Pilatus zurückzuschicken, als dieser schweigt. Cavin Cornwall machte als Hoher Priester Kaiphas mit seinem abgrundtief dröhnenden Bass in „This Jesus must Die“ zu einem bejubelten Höhepunkt des ersten Akts. Und auch Johnathan Tweedies sorgte in der Figur des zunächst besonnenen, letztlich aber frustrierten Präfekten Pontius Pilatus zusammen mit dem lautstark den Tod von Jesus fordernden Pöbel für eine beeindruckende Darbietung des Songs „Trial before Pilate“.
Eine zutiefst beeindruckende, hervorragende Inszenierung, die das Berliner Publikum lautstark mit stehenden Ovationen feierte.

Weitere Termine:
Berlin, Deutsche Oper: 31.07. – 02.08.2015
Mannheim, Nationaltheater: 04.08 – 09.08.2015
Hamburg, Hamburgische Staatsoper: 12.08. – 23.08.2015

Foto:Pamela Raith

Hans Kaltwasser
Hans Kaltwasser
Artikel: 463

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