Wenn eine Beziehung zu Ende ist, dann kapieren die meisten Menschen, jetzt ist es aus. Die Kommunikation, egal über welche Wege, ist beendet. Nicht so bei Stalkern, sie wollen oder können eindeutige kommunikative Zeichen nicht deuten. Deswegen beginnen sie eine einseitige Kommunikation, die nicht selten eine schmerzvolle Zeit für die gestalkte Person bedeutet. So auch für die Autorin des Buches „An jedem einzelnen Tag“. Mary Scherpe erkannte relativ schnell, dass Z. – wie er im Buch genannt wird – nicht der richtige Partner für sie war. Dies machte sie unmissverständlich klar, die Beziehung war für sie beendet. Doch nicht für den Stalker. Da die Autorin eine erfolgreiche Modebloggerin ist und aus beruflichen Gründen auch zahlreiche Social-Media-Dienste nutzt, hatte Z. vielfältige Plattformen zur Verfügung, um seine dauernden Bitten nach Kontakt zu verbreiten, aus denen dann schnell Drohungen, Gemeinheiten und Schmähungen wurden. Hinzu bekam die Autorin ungewollt, aber in ihrem Namen bestellte Warensendungen, Kataloge und Postwurfsendungen. Zuerst ignorierte Mary Scherpe die Kommentare, löschte Einträge, und tat das, was ihr viele, auch professionelle Berater angeraten hatten. Doch wie lange kann man so etwas ignorieren, wenn es an jedem einzelnen Tag passiert?
Mary Scherpe erstattete schließlich bei der Polizei Anzeige. Im Laufe der Zeit hatten sich viele Hinweise auf Z. als Stalker verdichtet, und sie hoffte, dass die zahlreichen Belege und Dokumente über das Stalking ausreichen würden, um den Stalker endgültig identifizieren und zum Aufgeben zwingen zu können. Seit dem 22. März 2007 gilt Stalken oder Nachstellung in Deutschland als Straftatbestand und ist im Strafgesetzbuch verankert. Doch die Ermittlungen wurden schnell eingestellt. Mary gab aber nicht auf und suchte die Hilfe eines Anwalts, der ihr auch zunächst Mut machen konnte. Währenddessen gingen die ständigen Telefonanrufe, Tweets und Kommentare munter weiter. Im Keller stapelten sich die unwillentlich bei ihr gelandeten Päckchen und Pakete. Zudem hatte die Autorin zunehmend den Eindruck, dass der Stalker immer wusste, wo sie war. Wie heißt es so schön bei Sting – „Every breath you take…I’ll be watching you“ – nach dieser Lektüre hat der Satz eine andere Bedeutung bekommen…
Mobbing und Stalking gibt es leider immer häufiger. Dabei werden das Internet und die Social Media für Stalker und Mobber zu idealen Plattformen. Die Schilderungen der Autorin sind aus vielen Gründen beunruhigend, auch deswegen, weil es für Täter viele Möglichkeiten gibt, für Opfer dagegen nur wenige Chancen, um sich zu wehren. Bewundernswert, dass Mary Scherpe an die Öffentlichkeit gegangen ist und dieses Buch geschrieben hat.
An jedem einzelnen Tag
Mein Leben mit dem Stalker
Mary Scherpe
Ersterscheinung: 16.09.2014
ISBN: 978-3-404-60829-4
Verlag: Bastei Lübbe
Auf Change.org kann jeder, der etwas gegen Stalking erreichen möchte, eine Petition unterschreiben, damit der Stalking-Paragraf geändert wird und somit gestalkte Personen leichter zu ihrem Recht kommen.