Jana Rusch – Die INNER GREEN FIELDS – von der Utopie zur Wirklichkeit

Bewegte, flirrende Landschaften, lebensfroh und verstörend zugleich, natürlich wirkende Strukturen, von Menschenhand gemacht und dennoch ungewohnt und befremdlich: Die neuen Arbeiten – die INNER GREEN FIELDS – der ostbelgischen Malerin Jana Rusch wirken vertraut und neuartig zugleich. Verschwunden sind Menschen, Fahrzeuge und Straßen der früheren Werke, dynamische, kraftvolle Strukturen und räumliche Leere dominieren. Sie verstehen sich damit auch als eine Utopie der menschlichen Daseinsform auf der Erde und fordern uns heraus, alte Denkmuster in Frage zu stellen und neue Lebensräume zu diskutieren.

„Ich untersuche ja seit vielen Jahren – auch als studierte Geografin – Formen, Strukturen und Geschwindigkeiten menschlicher Lebensräume und deren Entwicklung im Laufe der Zeit. Bei den INNER GREEN FIELDS kam nun die Transformation, die tiefe grundlegende Veränderung dieser Strukturen mit der zeitlichen Komponente und im Zusammenhang mit Krisensituationen hinzu,“ so Jana Rusch über die neuen Werke. Diese handeln von anderen bzw. andersartigen menschlichen Strukturen auf der Erde, als sie heute existieren. Das grüne Feld wird hier plötzlich zu einer Vision des Urbanen, zu einer Art Diskussionsgrundlage für die städtischen Strukturen der Zukunft.

Die INNER GREEN FIELDS sind großformatig, bewegt und visionär. Sie handeln von anderen bzw. andersartigen Strukturen auf der Erde, als wir sie heute finden. Wir – als Menschheit – denken anders, arbeiten anders, wirtschaften anders. Wir hinterlassen andere Formen und Strukturen auf dieser Erde.

Obwohl die Formen weich und fließend sind, die Strukturen dynamisch, kraftvoll und urban, so wirken die neuen Werke eigenwillig unscharf, nebulös. „Ich verstehe – als Mensch und als Künstlerin – die aktuelle gesellschaftliche Situation als Herausforderung: Diese Krise entblößt und reduziert das Leben auf das Wesentliche, erzählt Vieles über uns selbst und unsere Welt. Sie zeigt sehr deutlich das, was vorher gut versteckt und kaum sichtbar war. Sie erzählt uns vieles darüber, wer wir sind, jeder einzeln und als Gesellschaft, und wer wir nur vorgeben zu sein. Ich glaube absolut, dass wir gerade jetzt die Möglichkeit bekommen, die Welt in eine gute Richtung zu verändern,“ formuliert die Künstlerin ihre Herangehensweise an die Arbeiten.

Sie versteht diese allerdings keinesfalls als fest definierte Antworten, weder auf die aktuellen Herausforderungen noch auf allgemeine gesellschaftliche Fragen, sondern eher als eine Diskussionsgrundlage, eine Art Skizze für visionäre Veränderungen der Zukunft: Was brauchen wir wirklich, was wollen wir künftig, was ist Normalität? INNER GREEN FIELDS sind im Grunde abstrakte Landschaften und dennoch vermittelt der Inhalt eine starke Botschaft, um dann sofort wieder den Raum zu öffnen.

„Das Spannende in meinem Beruf ist das Fehlen jeglicher Grenzen. Auf der Leinwand kann ich frei agieren, erfinden und entwerfen. Ich kann die Gravitation, die Statik und die Physik außer Kraft setzen. So ermöglichen diese freundlichen und überaus sonderbaren Landschaften ein Neudenken in einer sehr globalen Art und Weise,“ so Rusch weiter. Als umso spannender entpuppt sich dann aber die Anbindung dieser futuristischen Landschaften an die Historie.

Jana Rusch hat als studierte Geografin ein besonderes Faible für Landkarten. Sie integriert in die INNER GREEN FIELDS mit Hilfe des Transferdrucks collagenartige Ausschnitte und kleine Details aus den Ferraris-Karten, den ersten kartografischen, 1777 von Joseph Johann Ferraris händisch angefertigten Aufzeichnungen Belgiens und Teilen Luxemburgs.

Dieses 250 Jahre alte Kartenwerk übt eine große Faszination auf Jana Rusch aus und ist für sie eine große Inspirationsquelle. Sie greift viele Strukturen auf, die in den Karten zu finden sind, erweitert diese und schickt sie auf eine spannende Reise in die Zukunft.

„Ferraris Karten wurden zum Zeitpunkt ihrer Entstehung auch ein Stück weit erfunden, erdacht, das verbindet sie sehr mit den INNER GREEN FIELDS,“ so die Künstlerin. Die kleinen, in der flimmernden Oberfläche der großformatigen Landschaften gut versteckten Kartenausschnitte schaffen eine tiefe Verwurzelung dieser Landschaften. Es sind Spannungsbögen – optisch und inhaltlich. Es sind Brücken zwischen Gestern und Morgen, die nur zu deutlich das Schwinden von dem uns so vertrauten Heute zeigen.

„Unsere neue Realität, die gerade so rasend schnell entsteht, wird jeden Tag greifbarer. Ich möchte alles dafür tun, dass es eine gute, eine bessere Realität wird. Und ich glaube an die Kraft des positiven Denkens genauso wie ich fest daran glaube, dass wir die Welt verändern können, indem wir uns selbst verändern, jeder für sich, jeder ein Stück weit in seinem Bereich.,“ so die Künstlerin. Und dafür setzt sie sich sehr ein, auch außerhalb von Leinwänden.


Jana Rusch ist aktuell in ein Projekt mit der RWTH AACHEN UNIVERSITY involviert, indem die INNER GREEN FIELDS eine spannende Übertragung und Erweiterung in der Virtuellen Realität erfahren werden.

Kurz-Vita Jana Rusch

Jana Rusch, geboren 1979, lebt und arbeitet in Eupen. Sie hat neben Kunst auch Geographie und Volkswirtschaft an der RWTH AACHEN UNIVERSITY studiert. Sie leitet diverse Kunstkurse für Kinder und Erwachsene.
Ihre Werke sind auf zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland und auf nationalen und internationalen Kunstmessen, so der ST. ART und der art Karlsruhe, zu sehen. Ihre Arbeiten finden sich in der Kunstsammlung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, in der IKOB-Kunstsammlung – Museum für Zeitgenössische Kunst – und in namenhaften Privatsammlungen. Sie wurde mehrfach mit dem Kunststipendium Ostbelgien ausgezeichnet. Die INNER GREEN FIELDS wurden Anfang 2020 für den Förderpreis KREATIVSONAR – kreative Wirtschaft Saarland und Rheinland-Pfalz – nominiert.

Jana Rusch setzt sich stark für soziale Projekte ein und realisiert aktuell eine Plattform für ein Homeschooling-Projekt in Ostbelgien und baut eine Online-Kunstschule für Kinder auf.

Titelbild: Jana Rusch rechts: „Shimmering widths“, 2019 190 x 170 cm, Mischtechnik auf Leinwand. links: „twisted and urban“, 2019 190 x 190 cm, Mischtechnik auf Leinwand

Ingrid
Ingrid

Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen.
Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.

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