Interview: Mick Hucknall „Simply Red“

Vor fünf Jahren löste Mick Hucknall „Simply Red“ auf und machte sie „simply dead“. Zu ihrem 30. Bühnenjubiläum meldet sich die Band jetzt mit ihrem neuen Album „Big Love“ und Plänen für eine Welttournee zurück. „Der Kulturblog“ traf einen gutgelaunten Mick Hucknall zum Interview im Berliner Hyatt, um mit ihm über sein neues Album und anderes mehr zu sprechen.

DKB: Herr Hucknall, Sie haben „Simply Red“ 2010 aufgelöst. Was hat sie denn dazu bewogen, die Band wieder zusammenzubringen und ein neues Album zu machen?

MH: Ja, das ist eigentlich ganz einfach. Es geht ja um ein Jubiläum. Im Sommer vergangenen Jahres kam mein Manager zu mir nach Hause und sagte: „Vielleicht ist es dir ja nicht klar, aber 2015 wäre das 30. Bühnenjubiläum von ‚Simply Red‘. Was hast du da vor?“ Und daraufhin habe ich gesagt: „Na ja, was möchtest du denn, dass ich mache?“ Dann sagte mein Manager: „Na ja, du könntest ja vielleicht auf Tour gehen.“ Da dachte ich „Okay. Es gibt Jubiläen, es gibt Geburtstage. Ein 30jähriges Jubiläum gibt es nicht noch einmal. Ein 31. oder 32. Jubiläum werde ich wohl nicht feiern. Es müsste also das 30. und dann vielleicht das 40. Jubiläum sein, um etwas zu machen“. Also irgendwie schien es zu passen. Das Interessante war, dass, nachdem ich dieser Tournee einmal zugestimmt hatte, ich mal über meine 30jährige Karriere so nachgedacht habe. Und da habe ich mich gefragt: „Was gefällt den Leuten eigentlich an ‚Simply Red‘?“ Und „Wie würde ‚Simply Red‘ wohl 2015 klingen?“ Und dann habe ich mich hingesetzt und den Song „Big Love“, geschrieben. Ich habe mich dabei bemüht, etwas zu schreiben, von dem ich annahm, dass es den ‚Simply Red‘ Fans gefallen würde. Ich habe auch gedacht, dass meine Plattenfirma vielleicht ein weiteres „Greatest Hits Album“ zum 40. Jubiläum herausbringen wollte und ich einen neuen Song beisteuern könnte. Na ja, und dann hatte ich noch eine Idee und habe einen weiteren Song geschrieben. Und dann noch einen. Und nach diesem dritten Song sagte ich mir: „Verdammt, ich könnte eigentlich ein ganzes Album schreiben.“ Und das wurde dann für mich zu einer echten Herausforderung. Und ich sagte mir: „Okay, du schreibst jetzt ein ganzes Album. Und diese ganzen Songs, die du schreibst, sind Teil des Projektes.“ Genauso ist das passiert. Allerdings ohne die Inspiration dieses 30jährigen Bühnenjubiläums wäre dieses Album wohl nie zustande gekommen.

MickHucknall
Sehr ausführlich beantwortete Mick Hucknall gutgelaunt im Berliner Hyatt Hotel am 29. April 2015 unsere Fragen. Foto: © Ingrid Mosblech-Kaltwasser

DKB: Wie lief das Schreiben der Songs denn so ab?

MH: Also, ich habe ja eine siebenjährige Tochter und bin jetzt glücklich verheiratet. Mein Tagesablauf sieht etwa so aus: Ich werde so um 7:30 Uhr wach. Dann gehe ich nach unten in die Küche und mache für meine Tochter das Frühstück. Meine Frau bringt sie dann zur Schule. Ich gehe dann ein bisschen mit dem Hund raus, komme zurück und frühstücke. Vielleicht schaue ich noch ein bisschen Fernsehen und zwischendurch habe ich dann einen Song geschrieben. Das lief alles sehr entspannt ab und ich befand mich in einer häuslichen Umgebung. Meine Familie und mein Familienleben waren wohl deshalb auch die Quelle der Inspiration für dieses Album. Zum Familienleben gehören ja Geburt und Leben dazu. Es gibt da einen Song, der meinem verstorbenen Vater gewidmet ist. Wir wissen ja alle, dass unser Leben ein beständiges Kommen und Gehen ist. Genau darum geht es bei diesem Album, um den Rhythmus des Lebens und um das Familienleben.

DKB: Könnten Sie vielleicht noch ein paar Worte zu dem Song über Ihren Vater sagen?

MH: Ich hatte eine sehr ungewöhnliche Kindheit. Meine Eltern trennten sich, als ich drei Jahre war; meine Mutter habe ich nie wieder gesehen. Mein Vater hat mich groß gezogen. Brüder und Schwestern gab es nicht. Ich hatte auch keine Großeltern. Väterlicherseits waren sie bereits tot, und nachdem meine Mutter weg war, sahen wir ihre Familie nie wieder. Geheiratet hat mein Vater auch nicht mehr. Also gab es im Wesentlichen in den ersten 18 Jahren meines Lebens nur meinen Vater und mich. Mein Vater arbeitete sechs Tage die Woche. Das war ganz schön hart. Einkaufen, Essen kochen, die Wohnung sauber machen, Wäsche waschen, all das hat er neben seiner Arbeit gemacht. Und er hat mich groß gezogen. Also, er war schon ein außergewöhnlicher Typ. Man muss hier bedenken, wir reden über das Jahr 1963. Da gab es keine Männer, die ihre Kinder groß zogen. Er hat das aber alles allein geschafft. Deshalb glaube ich, dass es nur recht und billig ist, diesem großartigen Mann ein Lied zu widmen. Einem Menschen, der sich unglaublich für mich aufgeopfert hat.

DKB: Die Besetzung von „Simply Red“ hat sich ja in der Vergangenheit ziemlich häufig geändert. Sind beim jetzigen Line-up überhaupt noch bekannte Leute dabei, oder haben Sie eine völlig neue Band zusammengestellt?

MH: Nein, nein. Keineswegs. Ian Kirkham ist dabei. Der ist ja schon seit 1985 mein Saxofonist. Dann haben wir Steve Lewinson am Bass, der seit 1993 bei mir ist. Kenji Suzuki an der Gitarre, Dave Clayton und Kevin Robinson, das sind alles alte Bekannte, die seit 1998 in meiner Band sind. Neu ist nur der Schlagzeuger, Roman Roth. Der ist aus der Schweiz und hatte bereits mit mir auf meinem Album „American Soul“ gespielt. Er kommt sehr gut mit den anderen Musikern in der Band aus. Pete Lewinson, mein alter Schlagzeuger, hatte andere Verpflichtungen, als ich „American Soul“ aufnahm; ich glaube, er arbeitete damals mit Sade zusammen. Wissen Sie, wenn Sie jemanden neu in der Band haben und alle ihn mögen, da bin ich der Letzte, der sagt: „Gut, das war’s. Jetzt kannst du gehen. Denn ich hole mir meinen alten Schlagzeuger wieder.“ Roman hat sehr gut gearbeitet. Warum sollte er also bestraft werden? Deshalb habe ich ihm gesagt: „Okay, du bist dabei.“ Weil wir alle wissen, dass er furchtbar gut spielt und fertig! Also, alle sind eigentlich die Mitglieder der ursprünglichen Band, und mit dieser Band werde ich auch auf Tournee gehen.

DKB: Seit Ihrem Debütalbum „Picture Book“ aus dem Jahre 1985 haben Sie unglaublich viele Songs geschrieben. Woher kommt eigentlich die Inspiration für Ihre Lieder?

MH: Bei meinen Songs geht es immer um das Leben. Es geht um die Dinge, die um mich herum geschehen, die mich berühren. Journalisten würden die Songs als persönlich bezeichnen. Wissen Sie, schon ganz am Anfang war das so. „Holding back the years“, das ist ja ein sehr persönliches Lied. Da geht es um meine Familie, um das Verlassen des Elternhauses und so etwas. Ich glaube aber, dass ein persönliches Lied auch anderen Menschen etwas sagen kann, sozusagen auch deren Song sein kann. Ich schreibe also aus einer sehr persönlichen Perspektive, immer in der Hoffnung, dass die Leute sagen, wenn sie den Song hören „Hm, ich verstehe das. Auch ich empfinde das so.“ Wissen Sie, das ist doch das Schöne an der Musik. Und so schreibe ich, um zu kommunizieren, damit jemand anderes fühlen und verstehen kann, was ich empfinde. Das bedeutet also z.B., dass bei so einem Lied wie „Dad“, wenn ich von der jahrelangen aufopferungsvollen Zuwendung, die ich erfahren habe, singe, die Leute anfangen nachzudenken und sich fragen: „Wie ist das eigentlich mit meinem Vater? Was ist mit meiner Mutter? Was ist mit meiner Familie?“ Das Lied gibt ihnen also ein positives Gefühl, bringt sie dazu, über ihr Leben nachzudenken.

DKB: Von allen Alben und Songs, die Sie in den vergangenen 30 Jahren aufgenommen haben, gibt es da etwas, auf das Sie ganz besonders stolz sind?

MH: Also, das werde ich immer wieder gefragt. Und meine Antwort ist stets die gleiche: Wofür ich seit 1985 wirklich am meisten dankbar bin, das ist die Stetigkeit meiner Karriere. Damals als ich von der Uni ging, war ich ja zunächst arbeitslos, vier Jahre lang. Ich musste mit etwa 40 Euro die Woche auskommen. Vier Jahre lang. Das war ganz schön hart. Und dann innerhalb von nur drei Monaten brachten wir unsere erste Platte heraus, und die wurde ein richtiger Hit, und zwar gleich weltweit. Und die zweite Platte, die wir dann machten, „Holding back the years“, wurde Nr. Eins in den USA und belegte Spitzenpositionen in den Charts so ziemlich überall auf der Welt. Dann das dritte Album, das erreichte auch Platz Eins in den Charts. Zwei Titel davon waren Riesenerfolge, vor allem „If you don’t know me by now.“ Das vierte Album war in Großbritannien zwei Jahre hintereinander das meistverkaufte Album und wurde weltweit 10 Millionen Mal verkauft. Vom fünften Album wurde ein Track als Single ausgekoppelt, die Nr. Eins in den Charts erreichte. Das ganze Album stand in den Charts weltweit auf Platz Eins. Das Album „Blue“ war Nr. Eins in Europa. Das Indie-Album „Home“ aus dem Jahre 2003 war zwei Jahre hintereinander das meistverkaufte Indie-Album. Usw., usw. Was also ist mein persönlicher Lieblingssong? Mein Lieblingsalbum? Habe ich nicht und kann es auch gar nicht geben. Es ist vielmehr die ganze Entwicklung, die mich stolz macht, dass alles so gut geklappt hat.

DKB: Robbie Williams und Sting haben Ausflüge in den Jazz unternommen. Sie selbst haben ja auch schon ein paar Jazznummern gecovert. Haben Sie eigentlich schon einmal daran gedacht, ein ganzes Album mit Jazzstandards aufzunehmen?

MH: Ja, habe ich, und zwar ganz am Anfang meiner Karriere. Einer meiner Mentoren und guten Freunde war ein Mann namens Nesuhi Etergün. Er und sein Bruder Ahmet gründeten Atlantic Records. Nesuhi produzierte Charly Mingus, „Giant Steps“ von John Coltrane und all die großartigen Alben von Ray Charles. Als wir damals noch ganz am Anfang standen, wollte ich es fast nicht glauben. Ich glaube, es war 1986 oder so, da waren wir für einen Gig auf der Midem in Cannes (= weltgrößte Musikmesse, DKB). Und da kam dieser alte Typ auf die Bühne, um uns anzusagen. Ich hatte damals keine Ahnung, wer er war. Nach unserem Auftritt habe ich dann erfahren, dass es Nesuhi Etergün war. Ich habe mich riesig gefreut. Nesuhi hat sich wirklich immer sehr für ‚Simply Red‘ eingesetzt und uns in unserer Karriere immer sehr geholfen. Damals begannen Nesuhi und ich auch darüber nachzudenken, mal ein reines Jazzalbum zu machen. 1986 traf ich dann bei den Grammys Miles Davis. Das war ein wirklich sehr erstaunliches Erlebnis. Ich stand da hinter der Bühne und unterhielt mich gerade mit einem sehr süßen Mädchen. Miles ging an mir vorbei. Plötzlich stoppte er, drehte sich um, kam zurück und sagte „Simply Red“ oder?“ (MH ahmt die Stimme von Miles Davis nach, DKB). Und ich sagte mir: „Oh Gott, der weiß ja, wer ich bin! Das glaub‘ ich einfach nicht!“ Und dann sagte er noch: „Eh, mir gefällt dein Album ‚Picture Book‘“. Wissen Sie, ich bin ein sehr großer Bewunderer von Miles Davis. Und als ich dann mit Nesuhi über ein gemeinsames Jazz-Projekt sprach, schlug ich vor: „Sieh‘ mal, ich habe da so eine Idee für einen Song, nennen wir den mal ‚Blue and Green‘. Ich könnte den Text schreiben. Und dann schauen wir mal, ob Miles spielt, und wir könnten eine Band zusammenstellen.“ Aber leider ist Nesuhi dann an Magenkrebs gestorben. Es war ein sehr aggressiver Krebs. Alles ging furchtbar schnell. Und nachdem Nesuhi tot war, wollte ich nicht mehr. Irgendwie schien es nicht mehr zu passen.

DKB: Neben Ihren eigenen Alben waren Sie ja auch bei einer Reihe anderer Projekte beteiligt. Mit den „Faces“ haben Sie etwas gemacht. Dann gibt es Sachen mit Bill Wyman und kürzlich das Duett mit Van Morrison auf dessen letztem Album. Gibt es vielleicht noch andere Musiker, mit denen Sie einmal gerne zusammenarbeiten würden?

MH: Sie haben Charlie Watts, den Schlagzeuger der Stones, nicht erwähnt. Ich bin ja sozusagen der zweite Sänger der Rolling Stones, wie Charlie immer sagt. Nein, im Ernst, mit Charlie habe ich schon ein paar tolle Konzerte gespielt. Einfach nur so aus Spaß. Es sind Freunde. Mein erstes Album habe ich mit elf Jahren gekauft. Das war „Sticky Fingers“ von den Rolling Stones“. Und heute bin ich mit Charlie, Bill und Ronnie befreundet. Rauche mal hin und wieder einen Joint mit Keith. Wissen Sie, das alles ist wie ein Traum für mich. Unglaublich. Das sind für mich ganz spezielle Augenblicke, spezielle Projekte, die ich mein Leben lang ganz besonders schätzen werde.

DKB: Mr. Hucknall, Sie blicken auf eine erstaunliche Karriere zurück, die jetzt stolze 30 Jahre umfasst. „Simply Red“ hat über 55 Millionen Tonträger verkauft. Es gab eine Menge Auszeichnungen. Es gab Höhen und Tiefen, aber Sie sind immer noch ein ganz großer Name, vor allem bei uns in Deutschland. Auf welche Gründe führen Sie diesen anhaltenden Erfolg von „Simply Red“ zurück?

MH: Also, das ist ja genau die Frage, die ich mit meinem neuen Album zu beantworten versuche. Es ist im Wesentlichen das, was den Leuten meiner Meinung nach an ‚Simply Red‘ gefällt. Das kann ich nur ganz, ganz schwer in Worte fassen. Das Einzige, was mir dazu einfällt, ist vielleicht, es geht in meinen Songs um wirkliche, aufrichtige Gefühle, etwas, das sich echt, authentisch anfühlt. Nicht vorgestellte, sondern echte, wahre Gefühle. Weil ich versuche, so zu schreiben, realistisch. Dann liegt da, glaube ich, einfach mehr Aufrichtigkeit in dieser Realität, als wenn ich bloß eine Geschichte oder so etwas erfinden oder irgendetwas Allgemeines schreiben würde.

DKB: Laut Farbpsychologie steht die Farbe Rot für Energie, Leidenschaft und Dynamik. Rot ist nicht nur Bestandteil des Namens Ihrer Band ist, sondern scheint noch zwei weitere Bedeutungen in ihrem Leben zu haben. Es ist die Farbe Ihres Lieblings-Fußballclubs, Manchester United, und der Sozialisten, die Sie ja in den 90ziger Jahren politisch unterstützten. Sind Sie ein politischer Mensch?

MH: Mich fasziniert die Politik. Aber ich habe immer in der Mitte, nie am extrem linken Rand gestanden. Deshalb war es auch für mich leicht, Tony Blair zu unterstützen, der ja ein Mann der Mitte war. Und mit Tony Blair lief ja auch alles gut, bis er den Krieg mit Irak anfing und seine weitere Entwicklung und Reputation unwiederbringlich in den Sand setzte. Mich fasziniert die Politik also. Ich interessiere mich dabei vor allem sehr dafür, wie sie funktioniert. Politiker tendieren ja dazu, sich die Popstars zu schnappen und zu benutzen, um ihre Popularität vor allem bei den jungen Wählern zu vergrößern. Aber das interessiert mich nicht sonderlich. Mich interessiert vielmehr, wie Politik funktioniert, die politischen Ambitionen zu beobachten, wie ihre Umfragewerte steigen; wie sie mit ihren sogenannten politischen Freunden umgehen. Natürlich hassen die sich alle furchtbar untereinander, schon weil ja jeder versucht, die Nummer Eins zu werden und ganz nach oben zu kommen. Das alles zu beobachten, ist amüsant, seltsam und sehr interessant. Aber nebenbei bemerkt, meine Lieblingsfarbe ist paradoxerweise Blau und die meiner Tochter Violett, also sie ist so bisschen ein Zwischending.

DKB: Manche Rockmusiker und Popstars nutzen ihre Popularität für Kampagnen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. John Lennon z.B. machte seine Kampagne für den Weltfrieden. Bob Geldorf initiierte das Live-Aid- Projekt. Kann oder sollte Rockmusik Ihrer Meinung nach eine Rolle im öffentlichen Leben haben, z.B. um gegen Rassismus aufzutreten?

MH: Ich glaube, dass das eine Sache der persönlichen Entscheidung ist. Zugegeben, es nicht gerade etwas, was mich besonders anspricht. Was ich auf eine vielleicht ruhigere Weise gemacht habe, das sind eher philanthropische Projekte als Kampagnen. Ich habe zwei philanthropische Anliegen. Eines dieser Projekte ist ein Anwesen in Nordirland, zu dem ein Fluss gehört, in dem es auf einer Länge von etwa 40 km Prime Lachs gibt. Seit sich der Fluss unter meiner Kontrolle befindet, ist es uns gemeinsam mit der ‚Nordatlantik Lachs Schutzorganisation‘ gelungen, die Wildlachspopulation im Fluss zu verdoppeln. Man verdient damit sicherlich keine Millionen, aber es ist doch etwas, wie ich finde, sehr Sinnvolles. Sehen Sie, mein Großvater war Ire, meine Großmutter Schottin, ich selbst stamme aus Cumbria, bin also so eine Art echter Kelte…

DKB: Aha, daher also die großartige Stimme…

MH (lacht) Ja, genau!

…und ich fand das einfach furchtbar toll, die Möglichkeit zu bekommen, diesen Fluß zu erwerben. Und ich mache damit etwas, was wirklich wertvoll ist. Man kann auf meinem Anwesen auch jagen. Es handelt sich jedoch um die Wildjagd. Das ist etwas völlig anderes als die Treibjad, bei der ja buchstäblich Hunderte von Fasanen abgeschlachtet werden. So etwas gibt es bei mir nicht. Bei uns müssen Sie hinausgehen und in den Bergen wandern. Und dann suchen und suchen Sie nach etwas, was Sie schießen können. Manchmal geht man 5 km und sieht gar nichts. Und dann wiederum trifft man plötzlich auf ein Stück Wild, das man schießen kann. Und alles, was geschossen wird, wird auch gegessen. Es ist also eine völlig andere Philosophie. Meinen Projektpartnern und mir ist es auch gelungen, die Population der Wildvögel dramatisch zu vermehren, wobei wir mit den Bauern zusammenarbeiten und ihnen helfen, die Krähen los zu werden. Manche Dinge, die man hier lernt, sind einfach unglaublich. Beispielsweise wenn die Lämmer geboren werden. Da sitzen dann die Krähen auf den Bäumen und warten nur darauf, dass die Lämmer geboren werden. Und dann, wenn es soweit ist, stoßen sie herab und hacken den kleinen Lämmern die Augen aus, so dass sie blind werden. Und die Krähen warten dann darauf, dass die Lämmer sterben. Wir haben also den Bauern geholfen, diese Krähen loszuwerden. Die Bauern haben dann ihrerseits dafür gesorgt, dass ihre Schafe bestimmten Gebieten unseres Anwesens fern blieben, damit die Wildvögel dort in Ruhe nisten und sich vermehren konnten. Für dieses Projekt haben wir übrigens im vergangenen Jahr in Deutschland eine Auszeichnung bekommen, den „Eckhard Preis“ für philanthropische Projekte. Also, so läuft das bei mir. Leute wie Bono und Annie Lennox haben ihre Kampagnen gemacht und das ist prima. Aber das ist ihr Ding. Ich mache mein eigenes Ding und eben anders.

DKB: Wenn wir einen Blick in Ihre Musiksammlung zu Hause werfen dürfen, was würden wir da finden?

MH: Also, ich bin jetzt 54. Und wissen Sie, neue Musik ist nicht etwas, das ich mir den ganzen Tag antun müsste. Aber ich höre immer noch sehr gern Miles Davis und John Coltrane. Und ich liebe den Jamaica-Reggae, der Mitte der 70ziger Jahre gemacht und gespielt wurde, hier vor allem einen Künstler namens King Tubby, der ein Ton-Ingenieur war. Und dann natürlich viel Soul. Das heisst, ich höre eigentlich immer noch diesselben Sachen, die ich seit Jahren höre.

DKB: Abgesehen davon, dass Sie ein bekannter Popsänger sind, scheinen Sie ja auch ein erfolgreicher Geschäftsmann zu sein. Sie bauen Wein in Sizilien an. Können Sie uns hierzu einiges Näheres sagen?

MH: Ja, das stimmt. Aber auch hier gilt wiederum, es ist ein philanthropisches Projekt. Nordirland und Sizilien haben viele Probleme. Und meine Idee war, etwas zu tun, womit man das Ansehen dieser Regionen verbessern kann. Vor allem auf unsere Arbeit am Ätna bin ich stolz, weil Jancis Robinson, die bekannte britische Weinautorin, den Ätna im vergangenen Jahr als die spannendste Region für Weinbau beschrieben hat. Und wir helfen, dass diese Region bekannter wird. Zum Millionär werde ich allerdings auch damit nicht, und als erfolgreicher Geschäftsmann sehe ich mich gar nicht. Bei diesen beiden Projekten geht es um die Philanthropie, um die Stärkung und Nachhaltigkeit des Gemeinswesens.

DKB: „Simply Red“ wird ja im Oktober und November in Deutschland auf Tournee sein. Was können die Fans erwarten? Wird nur das neue Album zu hören sein oder vielleicht auch einige der tollen alten Songs?

MH: Also, wir feiern ja das 30jährige Bühnenjubiläum der Band. Und da glaube ich, ist es schon sehr wichtig, dass wir versuchen, die musikalische Geschichte von ‚Simply Red‘ der vergangenen 30 Jahre darzustellen. Normalerweise spielen wir so etwa 21 oder 22 Songs pro Konzert. Ich würde mal sagen, 18 von denen werden bekannte Hits sein. Die restlichen zwei oder drei Songs stammen dann vom neuen Album. Wir feiern ein Jubiläum. Und ich möchte die Leute auf diese Reise durch die vergangenen 30 Jahre mitnehmen. Das ist mein Plan.

DKB: Mr. Hucknall, vielen Dank für das Gespräch und viel Glück für das neue Album und die 30-jährige Jubiläumstournee.

 

Foto oben; © Lorenzo-Agius

Standardbild
Hans Kaltwasser
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