INSIDE – Film von Vasilis Katsoupis

Willem Dafoe spielt Nemo in Vasilis Katsoupis Spieldebüt INSIDE einen abgebrühten Kunstdieb, der in ein Luxus-Penthouse in Manhattan einbricht, das voller wertvoller Gemälde und allerlei Kunst-Pretiosen ist. Offensichtlich arbeitet der Dieb mit einem Komplizen zusammen, der über ein Walkie-Talkie mit ihm in Kontakt steht, ihn durch die weitläufigen Räumlichkeiten leitet und ihm präzise Anweisungen über Sicherheitscodes gibt.

Das Objekt der Begierde sind Gemälde Egon Schieles. Vor allem auf ein millionenschweres Selbstporträt des österreichischen Expressionisten hat es das diebische Duo abgesehen. Doch das Bild hängt nicht dort, wo es vermutet wird, und Nemo beginnt sich umzusehen. Vielleicht ist es diese kleine, nicht vorgesehene Routenänderung, die plötzlich die Sicherheitsverriegelung auslöst. Vielleicht macht der Einbrecher eine falsche Bewegung. Die Folgen für ihn sind katastrophal. Die Stahltüren klappen zu. Nemos Komplize lässt ihn im Stich und ignoriert seine verzweifelten Rufe in das Walkie-Talkie. Die pompöse Luxuswohnung wird unversehens zum häuslichen Hochsicherheitstrakt und Nemo sitzt in der Falle wie Ali Babas Bruder Kasim in der mit Gold prall gefüllten Räuberhöhle. Doch anders als im Märchen gibt es hier keine Zauberformel, mit der sich die Stahltüren wieder öffnen ließen. Alle Versuche, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen, scheitern. Dann spielt die Temperaturregelung verrückt und schwankt zwischen extremer Hitze und Kälte hin und her.

INSIDE zeigt für die restliche Spiellänge die Details eines erbitterten Survival-Dramas und schwelgt dabei genüsslich im Absurden und teils unappetitlichen Grotesken der unfreiwilligen Gefangenschaft des Protagonisten. Der glücklose Kunstdieb muss die spärlichen Essensreste mühsam zusammenkratzen, die ihm der auf Geschäftsreise in Kasachstan weilende Hausherr hinterlassen hat. Das für sein Überleben notwendige Wasser zapft Nemo aus der zeitgesteuerten Bewässerungsanlage für die Grünpflanzen. Nemos Urin füllt die Schüssel der verstopften Toilette. Seine Notdurft verrichtet Nemo in einem für ganz besonders wertvolle Kunstobjekte gedachten versteckten Betonbunker, in dem sich die Exkremente im Laufe der Wochen zu einem stattlichen Berg anhäufen. Seine Zähne verfaulen gelb, während er langsam den Verstand verliert.  

Das Wasser des Pools ist nicht trinkbar © SquareOne / Steve Annis

Katsoupis behandelt Dafoes ausgezehrtes Gesicht mit seinen tiefen Furchen wie eine Projektionsfläche. Die Kamera sucht oft eine intime Nähe zum Protagonisten, während Nemo höllische Qualen erleidet. In einer Nahaufnahme aus der Perspektive des Gefrierschrankes blickt Dafoe nach vorne und kratzt verzweifelt am Rand Innenfläche nach feuchtigkeitsspendenden Eisresten.

INSIDE ist ein Film, der seine Dramatik aus der Dialektik zwischen Wagemut und Todesangst, Hoffnung und Verzweiflung seines Protagonisten gewinnt, die ein grausames Spiel mit seinem ihm treibt und den Zuschauer auf eine wahre Achterbahn der Gefühle mitnimmt. Da von wenigen Traumsequenzen abgesehen Nemo der einzige Akteur ist, muss Dafoe die Handlung des Films und zusammenhalten. Wegen der spärlichen Dialoge ruht die Hauptlast der Arbeit dabei auf seiner körperlichen Präsenz. Das gelingt ihm in dieser klaustrophobischen One-Man-Show schlicht brillant und macht den Film sehr sehenswert.

Alle Fotos: © SquareOne / Steve Annis

Standardbild
Hans Kaltwasser
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