In einem Zug – Roman von Daniel Glattauer

Eine Bahnfahrt kann langweilig und zeitintensiv sein, ein Ziel haben, das freudig erwartet wird oder mit Ängsten behaftet ist. Als Eduard Brünhofer, vor nicht langer Zeit einmal gefeierter Autor von Liebesromanen, sein Abteil im Zug von Wien nach München betritt, ist er nicht besonders euphorisch. Auch die Tatsache, dass er nicht alleine im Abteil ist, sondern ihm queer gegenüber eine Frau mittleren Alters sitzt, macht ihm keine gute Laune. Ob sie ihn erkennt? Es ist ein bisschen wie in einem Aufzug, wo man nicht weiß, wohin man anschauen soll, ohne mit Blicken übergriffig zu werden. Also bleibt es zunächst bei einem freundlichen Gruß zwischen den beiden und der Blick wandert nach draußen.

Die Stille dauert nicht lange und die Frau stellt ihm eine Frage, doch enttäuschenderweise nicht, „Sind Sie der Autor Eduard Brünhofer?“ Nein, sie glaubt in ihm ihren früheren Englischlehrer erkannt zu haben. Aber eigentlich hat der Autor auch nicht die Absicht, mit ihr über seine Bücher zu sprechen. Beklommen ist er dennoch und in Sankt Pölten ist seine Sitznachbarin immer noch nicht ausgestiegen, sondern sie kommen, nachdem sie erfahren hat, dass er Schriftsteller ist, wiederum ins Gespräch.

Und so erfahren die beiden Fahrgäste jedes Mal nach einem neuen Halt der Bahn mehr voneinander. Sie reden über die Liebe, »Was befähigt einen Autor, über die Liebe zu schreiben?«, fragt sie. »Ihre Frage ist klüger als jede Antwort darauf«, erwidert er. Über Langzeitbeziehungen, ob dann nicht der Sex langweilig wird – Fragen über Fragen, die eine Antwort erhalten. Und die inneren Monologe des Protagonisten runden die so entstehende Erzähllandschaft konturiert ab. Doch am Ziel angelangt kommt es zu einem unerwarteten und ungeheuren Geständnis.

Diese erzählerische Bahnfahrt ist alles andere als langweilig, sondern der Autor Daniel Glattauer erzählt so wunderbar humorvoll und tiefgründig, dass man sich am liebsten gleich auch in einen Zug setzen möchte. (Keine Bahnwerbung) Und wer dafür gut gewappnet sein will, dem hilft das beiliegende Kartenspiel mit Fragen, die man Fremden im Zug stellen könnte oder eher nicht.

Der Roman „In einem Zug “ von Daniel Glattauer

ist heute beim Dumont Buchverlag erschienen

Ingrid
Ingrid

Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen.
Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.

Artikel: 3784

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..