Ikone einer Generation: Zum 50. Todestag von Janis Joplin

So kannte man sie. Vor ihrem Publikum stehend, das Mikrofon in der Hand, schleuderte sie ihre langen braunen Haare hin und her. Schweißperlen rannen über ihr schmerzvoll verzerrtes Gesicht und glitzerten im Scheinwerferlicht, während sie mit rauer Stimme den schwarzen Country-Blues aus ihrem Innersten herauskreischte: Janis Joplin On Stage. 1968 in Monterey und Woodstock, 1969 bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert in der Frankfurter Jahrhunderthalle, bei dem sie das Publikum am Schluss auf die Bühne holte.

Janis Joplin sang mit mehr als ihrer Stimme. Ihre enthemmte, orgiastische Hingabe an die Musik war total, glich, wie sie in einem Interview beschrieb, dem sexuellen Erleben. Und so lebte sie auch. Live fast, love hard and die young. Nach Brian Jones (+ 1969) und Jimi Hendrix, der drei Wochen zuvor verstorben war, wurde sie der dritte prominente Zugang im Club 27.

Im Sommer 1966 war Janis Joplin noch eine Herumtreiberin; vier Jahre später eine Rocklegende.  Von einer völlig unbekannten Musikerin, die in den Bars von San Francisco herumtingelte, entwickelte sie sich mit ihrem Auftritt beim Internationalen Popfestival von Monterey im Sommer 1967 gleichsam über Nacht zu einer Ikone ihrer Generation.  

Dann folgten drei Jahre Tourneen und Schallplattenalben, die ihren Status als, in den Worten eines Kritikers, „Verkörperung des Mythos ihrer Generation“ zementierten.

Janis Joplin wurde 1943 in Port Arthur, Texas, geboren. Schon früh hatte sie das Gefühl anders als andere zu sein. In der Schule wurde sie häufig gemobbt, weil sie pummelig war, an Akne litt und die rassistischen Einstellungen ihrer Mitschüler nicht teilte. Die Aufhebung der Rassengesetze Ende der 1950er Jahre begrüßte sie, weswegen sie als „Negerschlampe“ beschimpft wurde. Hart traf es sie später an der Uni, als eine Satirezeitschrift sie zum hässlichsten Mann des Campus wählte.

Musikalische Vorbilder von Janis Joplin

Später entdeckte sie die Musik von Bessie Smith, Odetta, Etta James, Aretha Franklin und Otis Redding, die ihren Stil beeinflussten. Statt in die Vorlesungen zugehen, machte sie Musik in den Bars. 

1966 zog es Joplin nach San Francisco, wo sie sich einer lokalen Band namens Big Brother and the Holding Company anschloss, mit der sie  wenig später bekannt wurde. Zuerst durch ihre legendäre Performance  von „Ball and Chain“ in Monterey, dann mit dem Album „Cheap Thrills“ („Billiger Nervenkitzel“) aus dem Jahre 1968, für das der Underground-Illustrator Robert Crumb das Cover gestaltete. 

Doch schon bald trennte sich Joplin von Big Brother, um solo weiterzumachen. Ihre Persönlichkeit und kraftvolle Drei-Oktaven-Stimme waren größer als das handwerkliche Können ihrer Band. Manchen in der Band war diese Stimme zu laut. „Lieber singe ich gar nicht, als leise zu singen“, sagte sie in einem Interview, als sie sich mit ihrem musikalischen Vorbild Billie Holiday verglich. Deren Stimme hielt sie für subtil und kultiviert, während sie von ihrem eigenen souveränen, kraftvollen Gesang sagte: „ Ich schiebe diese Kraft direkt in dich hinein, direkt durch dich hindurch und du kannst dich nicht dagegen wehren.“

Auch wenn der ekstatische Gesang das Markenzeichen von Janis Joplin war, so verband sie diesen mit einer enormen Musikalität und großen Authentizität, die ihrer Musik viel mehr Seele verlieh, als manches andere, was die psychedelische Ära hervorbrachte.

Aber es war nicht nur die Musik oder die große Leidenschaft, mit der sie diese darbot, die Janis Joplin zu einer Ikone machte. Hinzu kommt die grenzenlose Lust und Intensität, mit dem sie jeden anderen Aspekt ihres Lebens lebte. „Sex, Drogen und Rock’n’Roll“, für viele in den späten 1960er Jahre eine revolutionäre  Philosophie der Hippiekultur, war für sie kein leeres Klischee, sondern sie verkörperte sie als ihre führende Vertreterin eines intensiven und hochriskanten Lebensstil, dessen Opfer sie schließlich wurde. Nach außen tough und selbstbewusst, war sie in ihrem Innersten wohl zerbrechlich, flüchtete sich in zahllose flüchtige Affären, Drogen und Alkohol.

Die Musik von Janis Joplins ist und bleibt jedoch zeitlos. Mit Stücken wie dem frühen „Piece Of My Heart“, einem kraftvollem Bluessong  über die Verletzlichkeit einer unerwiderten Liebe, dessen Text sie ins Mikrofon röhrte, röchelte, hauchte und flüsterte, oder dem zärtlich melancholischen „Get It While You Can“ und vor allem ihrem größten Pop-Hit „Me And Bobby McGee“ hat sie sich in das kollektive Musikgedächtnis eingegraben.

Im Herbst 1970 war Janis Joplin in Los Angeles, um dem Album den letzten Schliff zu geben, das sich als der größte Hit ihrer Karriere erweisen sollte: „Pearl“. Die Veröffentlichung des Albums erlebte sie jedoch nicht mehr. Heute vor 50 Jahren starb sie im Alter von nur 27 Jahren an einer Überdosis Heroin. Doch der Mythos Janis Joplin lebt weiter.      

Hans Kaltwasser
Hans Kaltwasser
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