Iggy Pop: Montreux Jazz Festival 2023

Iggy Pop war schon Punk, als es Punk noch gar nicht gab. Seine Songs waren ein rotziger Abgesang auf den Geist der Hippiebewegung. Statt Liebe, Frieden und Gemeinsamkeit besangen er und seine Band The Stooges Ende der 1960-er Jahre die Langeweile und Frustration seiner Generation. Auch ein gutes halbes Jahrhundert später denkt der Musiker offenbar nicht daran, sich aufs Altenteil zurückzuziehen.

Am 6. Juli 2023 trat er beim Jazzfestival in Montreux in der Schweiz auf. Im Vorfeld zu seiner Europatournee 2025 ist dieser Live-Auftritt jetzt bei earMUSIC im Albumformat in verschiedenen Versionen erschienen (Blue-ray+CD Digipak, Doppel-LP Gatefold und als digitaler Download).

Iggy Pop und seine exzellente, gut eingespielte siebenköpfige Band, zu der zwei Bläser, zwei Gitarren und Keyboards gehören, spielen sich voller Hingabe und Leidenschaft durch einen Backkatalog großartiger Rock-Klassiker und fügen ein paar obskure Raritäten hinzu. Es gibt sogar ein paar jazzige Licks, die „The Godfather of Punk“ womöglich extra für das Jazz-Festival ausgeheckt hat.

Das 17 Songs umfassende Set ist gleichmäßig aufgeteilt zwischen den ersten drei Stooges-Alben, Iggys ersten drei Soloalben und ein paar Tracks von seinem neuesten Studio-Album „Every Loser“ aus dem Jahre 2023.  Es gibt viele Höhepunkte in diesem Konzert, die von der Zuschauermenge begeistert gefeiert werden: „Five Foot One“, mit dem das Album eröffnet, ist eine elektrisierende Rockhymne, die die Probleme der Selbstakzeptanz kleinwüchsiger Menschen thematisiert; das einen hypnotischen Sog entfaltende „Nightclubbing“ ist Punk auf Valium; „Frenzy“, mit dem das Album schließt, ist ein energiegeladener Rocksong ohne jedes Maß und Ziel. Und der ewige Fan-Favorit „The Passenger“ vom Album „Lust for Life“ aus dem Jahre 1977 wird zu einem frenetischen Singalong mit ausladendem Orgelsolo.

Alle Kollaborateure sind hier offensichtlich in bester Spiellaune, nicht zuletzt Iggy, dessen Baritonstimme bei Klassikern wie „I Wanna Be Your Dog“, „Raw Power“ und „Search and Destroy“ herrlich knurrt und brüllt wie in alten Tagen. 

Die beiliegende DVD zeigt einen Iggy Pop, der mit langem, wehendem Haar ohne Hemd über die Bühne tänzelt und ohne Anzeichen von Müdigkeit und Erschöpfung 90 Minuten lang performt. Sicher, die Zeiten sind vorbei, als er halbnackt durch Glassplitter robbte, sich den ausgemergelten Körper mit Erdnussbutter vollschmierte, heißes Wasser über seine Hose goss und blutend zum stage dive ansetzte. Aber die große physische Präsenz und Vitalität, mit der der damals 76-jährige Musiker die Bühne ausfüllt und die große Hingabe an seine Musik, ist erstaunlich und nötigt gewiss auch Jüngeren Respekt ab.

Fazit: Als Karriererückblick und Live-Album überzeugt Montreux Jazz Festival 2023 auf ganzer Linie.

Photo Credit: Vincent Guignet

Hans Kaltwasser
Hans Kaltwasser
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