Die Ukraine nach dem Zusammenbruch der UdSSR bildet den Schauplatz des Romans „Hundepark“ von Sofi Oksanen. Der Grenzstaat zu Russland, der wie kein zweites Land innerhalb von zehn Jahren zwei Revolutionen durchlebt hat und sich zurzeit in einer politisch höchst kritischen Position befindet.
Im Mittelpunkt steht Olenka, die nach erfolgloser Karriere als Model aus Paris zurück nach Hause kommt. Dort ist alles wie zuvor. Die junge Frau will so schnell wie möglich Arbeit finden, ihre Mutter finanziell unterstützen und wieder fort. Als sie schließlich ein Stellenangebot findet und für die Fahrt zum Vorstellungsgespräch Geld dafür bekommt, ahnt sie bereits, dass es sich um einen ungewöhnlichen Job handeln muss. Auch die Familienfotos, die sie mitbringen soll, fallen aus dem Rahmen. Und sie hat recht. Ihre potenzielle Arbeitgeberin ist eine Agentur, die kinderlose Paare insbesondere aus dem Westen zu Nachwuchs verhilft. Dafür sucht sie Spenderinnen. Nur einige unschöne Stellen in Olenkas Lebenslauf, der frühe Tod des Vaters und der Ort, an dem sie lange als Mädchen gelebt hat, müssen ausgebessert werden. Und schon ist sie die perfekte Eispenderin. Sie steigt zur Koordinatorin auf und hat nun selbst die Aufgabe, Spenderinnen zu finden und Kundenkontakte zu knüpfen.
Jahre später, Olenka sitzt auf einer Parkbank in Helsinki. Ihr Leben hat sich drastisch verändert. Auch ihr Aussehen und ihre Kleidung – nichts erinnert mehr an die erfolgreiche Koordinatorin, die eine gemütliche Wohnung und ein hohes Einkommen besaß. Stattdessen putzt Olenka jetzt Wohnungen hier in Helsinki und beobachtet eine Familie. Denn eines der zwei Kinder stammt von ihrer Eizelle ab. Das andere von einer jungen Frau, die Olenka damals zum Topstar unter den Eispenderinnen gemacht hat. Und plötzlich sitzt sie neben ihr auf der Bank im Hundepark. Olenka fühlt sich von ihr bedroht. Welche Gefahr geht wirklich von der ehemaligen Eispenderin aus?
Armut und Krieg sind häufig miteinander verbunden und Ursachen dafür, dass Menschen gezwungen sind, Organe zu spenden oder Frauen ihre Eizellen. Dem gegenüber stehen Paare, die sich nichts sehnlicher als ein Kind wünschen, egal unter welchen Umständen. Und sie haben das Geld, um sich diesen Wunsch zu erfüllen, indem sie entsprechende Agenturen beauftragen.
Die preisgekrönte finnische Bestsellerautorin Sofi Oksanen versteht es in ihrem Roman „Hundepark“ brillant politisch bedingte soziale Ungerechtigkeiten und korrupte Strukturen auf eine individuelle Ebene herunterzubrechen. Das gelingt ihr mit großem psychologischen Gespür und enormer erzählerischer Kraft. Der Roman berührt und fesselt von der ersten bis zur letzten Seite.
HUNDEPARK von Sofi Oksanen
Verlag: Kiepenheuer&Witsch
Erscheinungstermin: 13.01.2022
480 Seiten
ISBN: 978-3-462-00011-5
Übersetzt von: Angela Plöger