Heute vor 50 Jahren – Beatlemania erreicht die USA

Newswise — CHICAGO — In diesem Jahr jährt sich zum 50zigsten Mal der erste Auftritt der Beatles in den Vereinigten Staaten. John Kimsey ist Musiker und Außerordentlicher Professor am Seminar für neues Lernen der DePaul University, wo er “Die Beatles und das künstlerische Schaffen” lehrt. Als Experte für Popmusik wird er im Februar in Penn State Altoona einen Vortrag auf der Konferenz “Heute vor 50 Jahren: Eine internationale Ehrung der Beatles“ halten.

Newswise sprach mit Kimsey darüber, wie die Beatles die US-Musikszene aufmischten und im Gefolge alles veränderten.

Frage: Welche breitere kulturelle Wirkung haben denn die Beatles eigentlich entfaltet, als sie zum ersten Mal in der Ed Sullivan Show auftraten?

Kimsey: Man hat den 9. Februar 1964 die Nacht genannt, in der in ganz Amerika kein einziges Auto gestohlen wurde. Schätzungsweise 73 Millionen Menschen saßen vor dem Fernseher, um die Ed Sullivan Show zu sehen. Zigtausende Kinder und junge Menschen wurden inspiriert, elektrische Gitarre und Schlagzeug zu lernen und ihre eigenen Bands zu gründen. Manche wurden inspiriert, eigene Songs zu schreiben – etwas, das erstmals Mitte der 60ziger Jahre wesentliche Grundlage des musikalischen Könnens der Beatles und Bob Dylans wurde. In den 50ziger Jahren hat es eigentlich niemanden interessiert, ob der Performer die Songs, die er sang, auch selbst geschrieben hatte. Elvis und Fats Domino waren keine Songwriter, und das hat niemanden gestört. Man kann sagen, dass die Rock-Revolution der 60ziger Jahre hier ihren Anfang hatte.

Und dann gab es natürlich das Phänomen der „Beatlemania“. Diese kreischenden, völlig ekstatischen Fans, die meistens junge Frauen waren. Viele Erwachsene hielten diese Fanreaktion entweder für einen verrückten, kurzfristigen Modetrend oder sahen in ihr gar den Ausdruck einer geistigen Störung. Natürlich gab es Popidole und ekstatische Fans auch schon vor den Beatles, aber allein die enorm große Zahl der Fans, die völlig außer Rand und Band gerieten, und die enorme Lautstärke des Gekreisches erreichten hier einen neuen Höhepunkt.

Die Feministin Barbara Ehrenreich und einige andere Gesellschaftstheoretiker haben argumentiert, dass die „Beatlemania“ der prototypische Ausdruck der späteren „Girl Power“- Bewegung gewesen sei. Junge Frauen und Mädchen ergriffen massenweise die sich mit der Manie gegebene Chance, ihre Gefühle ungezügelt öffentlich auszuleben, in einer Weise, die als “nichtdamenhaft” galt, als etwas, das gegen die Geschlechternormen der damaligen Zeit verstieß und die Autoritäten offensichtlich mit großer Angst erfüllte.

Frage: Sie lehren am DePaul’s Seminar für Neues Lernen die „Beatles und das künstlerische Schaffen“. Warum glauben Sie, dass die Beatles für Ihre Studenten heute immer noch so wichtig sind?

Kimsey: Lassen Sie es mich mit einem Zitat von Derek Taylor sagen, der ja als Pressesprecher der Beatles begann und dann später ihr enger Kollege und Vertrauter wurde. Taylor hat dem Journalisten Mark Hertsgaard einmal gesagt, „Die Beatles sind eine Abstraktion wie Weihachten. Sie repräsentieren Hoffnung, Optimismus, Witz, das Gegenteil von Überheblichkeit und Anmaßung, [die Idee], dass jeder es schaffen kann, vorausgesetzt, er hat den nötigen Willen dazu. Sie scheinen unaufhaltbar zu sein.“

Dem möchte ich hinzufügen, dass die Beatles in drei unterschiedlichen Bereichen herausragend waren, etwas, das man bei Popmusikern sehr selten antrifft: Sie waren überragende Songwriter; ihre Live-Auftritte waren ernorm beeindruckend (und die Reaktionen des Publikums); und sie waren Pioniere einer neuen, bisweilen „Phonographie“ genannten Kunstform, wobei es sich darum handelt, dass das Aufnahmestudio als Musikinstrument, als kreatives Werkzeug verwendet wird.

Und dann gibt es natürlich noch ihre Verbindung zur Kultur. Ihre musikalischen Anfänge liegen bei einer von vielen als primitivste Form erachteten Popmusik, die ja ohnehin nicht sehr angesehen war – dem Rock ‚n‘ Roll – und sie endeten als von jungen wie auch vielen älteren Menschen gefeierte künstlerische Visionäre. Die Beatles halfen, den überkommenen Gegensatz zwischen der sogenannten Hochkultur und der sogenannten Popkultur zu überwinden. Heute leben wir in diesem neuen kulturellen Zeitalter.

Frage: Wie haben die Beatles denn ihre eigene Musik beeinflusst? Was ist ihr Lieblingssong der Beatles?

Kinsey: Ich bin selbst Gitarrist, Sänger und Songwriter, Mitte der 50ziger Jahre geboren. Menschen wie ich sind typischerweise sehr stark vom Einfluss der Beatles geprägt. Um sein Bewusstsein zu erweitern, gibt es auch heute nichts Besseres als „Tomorrow Never Knows,“ den letzten Track auf der überragenden LP “Revolver“ aus dem Jahre 1966. Treibender Rock ‘n‘ Roll der alten Schule plus typischer mehrstimmiger Beatles-Gesang – da ist „I Saw Her Standing There“ immer noch einsame Spitze. Wegen der kantigen Melodienführung, dem modalen eintönigen Sound, den markant synkopisch geschlagenen Schlagzeugparts und der läutenden Lead Guitar liebe ich „Ticket to Ride.“ Ja, und wenn es darum geht, dass man in der Gruppe zusammen ist und singt, sei es im Wohnzimmer oder im Stadion, sag ich jetzt mal bloß zwei Wörter: „Hey Jude.“

Frage: Gibt es etwas, was wir nicht gefragt haben, Sie aber gerne noch hinzufügen möchten?

Kinsey: Ja, dieser ausgesprochen freche Humor, der das Establishment oft auf die Schippe nimmt und sich wie ein Faden durch das gesamte Werk der Beatles zieht, den sollte man unbedingt erwähnen. Da gib es diese Szene im Film “A Hard Day’s Night”, wo eine vornehme und schon etwas ältere Dame Ringo eine klischeehaftige Frage zur britischen Beatmusik stellt. Sie fragt: „Sind Sie nun ein Mod oder ein Rocker?“ Worauf Ringo mit einem Wortspiel trocken antwortet: „Äh, nein – Ich bin ein Mocker.“ [Anmerkung der Reaktion: Das englische Verb „mock“ bedeutet „verspotten“]

Foto: Fotograf fireball2912
Titel: The Beatles im Wachsfigurenkabinett
Fotoquelle: http://piqs.de/fotos/85335.html

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I saw her standing there

 

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Tomorrow Never Knows”

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hey bulldog

 [youtube]http://youtu.be/iWdLPGKQRXc[/youtube]

 A Day in a Life

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Standardbild
Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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