Halina Reijns BABYGIRL ist nicht der erste Erotikthriller, der aus dem Ruder läuft. Zwar gibt es keine „Bunny Boilers“ à la Glen Close in „Eine verhängnisvolle Affäre“, jene hagere, scharfe, krankhaft eifersüchtige blonde Stalkerin, die das Lieblingskaninchen der kleinen Tochter des Objekts ihrer Begierde kocht und ihm kaltblütig serviert. Auch wird keine der schönen Hauptfiguren des Mordes verdächtigt wie in „Basic Instinct“. Stattdessen sehen wir Harris Dickinson, wie er einen wütenden Hund mit einem Keks zähmt, und Nicole Kidman spricht eine Minute lang über Mathematik. Was für ein Anfang!
Kidman ist Romy, eine stinkreiche Tech-CEO mit einem scheinbar perfekten Leben. Ihr New Yorker Haus ist ein prächtiges Habitat mit riesigem beheizten Pool, so dass man auch im Winter nackt dort schwimmen kann. Der Ehemann (Antonio Banderas) ist ein bedeutender Theaterregisseur, der mit seiner Inszenierung der „Helen Gabler“ beschäftigt ist. Und Romys beiden Kinder? Na, die lieben ihre Supermutter natürlich abgöttisch. Was kann man sich mehr vom Leben wünschen? Nichts, außer einem aufregenden Sex statt der langweiligen abendlichen ehelichen Routinenummern mit Fake Orgasmen. Was bleibt Romy da anderes übrig, als nach dem Vollzug das Bett zu verlassen, um es sich in ihrem Arbeitszimmer bei Bondage-Pornos heimlich selbst zu besorgen.
Als Romy Samuel (Harris Dickinson) kennenlernt, einen mysteriösen, jungen, gutaussehenden Praktikanten mit gefährlichen Augen und schönen Bauchmuskeln, wird ihr klar, was sie bisher vermisst hat. Er ist selbstbewusst und verführerisch. Ein unwiderstehlicher Draufgänger, wie er im Buch steht. Dreist bittet Samuel die Firmenchefin beim Onboarding sein Mentor im Praktikumsprogramm zu sein, was ein privates zehnminütiges Treffen pro Woche bedeutet. Schon beim ersten Meeting, an dem sie nur widerstrebend teilnimmt, übernimmt er die Kontrolle und weist seine Arbeitgeberin streng und sanft wie ein Vater an, keinen Kaffee nach dem Mittagessen zu trinken. Schnell entwickelt sich eine toxische Affäre, wobei Romy nur zu gut weiß, was bei den wilden Sex-Treffen in schmuddeligen Hotels auf dem Spiel steht. Aber Samuel zeigt ihr, wo der Hammer hängt und was sie tun soll – und Romy will auch nicht wirklich, dass er aufhört.
Eigentlich ein heißer Stoff. Oder zumindest sollte er das sein. BABYGIRL stellt die Frage, ob es möglich ist, mit der sexuellen Abweichung in uns selbst Frieden zu schließen, ohne uns zu schämen und zu verurteilen – eine faszinierende Frage, auf die der Film nur andeutungsweise eine Antwort gibt, so dass er enttäuscht. Zudem sind die Figuren holzschnittartig und durch und durch unsympathisch. Ihre Gespräche sind belanglos, manchmal unfreiwillig komisch. Das überdrehte, unglaubwürdige Ende des Films BABYGIRL hinterlässt einen faden Nachgeschmack. Ein gewiss charmanter, jedoch letztlich leerer Film, der ein bisschen allzu zufrieden mit sich selbst ist. Sex sells, die Erwartung, solchen zu sehen, wohl auch. Und die großen Namen seiner Darsteller sowieso.
Titelbild: (c) Constantin Film