Seit kurzem ist die hochkarätig besetzt Kino-Trilogie INTRIGO in den deutschen Kinos zu sehen. Der Film beruht auf den eigens für den Film geschriebenen Geschichten, deren Kern im Kinofilm des Regisseurs Daniel Alfredson umgesetzt wurden.
Wie der Autor Håkan Nesser in seinem hier besprochenen Buch „Intrigo“ bemerkt, „ Ein Buch ist ein Buch, ein Film ist ein Film“. Was Intrigo betrifft, so sind Unterschiede zwischen Buch und Film sowohl notwendig als auch im höchsten Maße absichtlich“.
Deswegen können Kinogänger, die den Film bereits gesehen haben, sich auch im Nachhinein von diesem Buch mit seinen folgenden Geschichten begeistern lassen.
TOM
Maardam 1995 – Judith Bendler, Ende 50 erfolgreiche Autorin von Biographien, lebt mit ihrem zehn Jahre älteren Mann Robert in einem Haus auf dem Land. Regelmäßig besucht sie ihre Therapeutin, mit der sie seit einigen Jahren über kleinere und größere Probleme reden kann. Ihrem Mann geht es gesundheitlich schlecht. Es ist abzusehen, dass Judith bald ohne ihn leben muss. Eine Veränderung, die sie jedoch nicht übermäßig fürchtet. Sie würde weiter in ihrem Haus leben, an ihren Büchern arbeiten und alleine bleiben. Das ruhige Leben weiterleben, wie bisher.
Eines Nachts jedoch wird sie von einem Telefonanruf aus dem Schlaf gerissen. Judith glaubt sich verhört zu haben, als der Mann sich mit Tom meldet, der Name des seit über zwanzig Jahren verschwundenen Sohns des Ehepaares. Es muss sich um einen Betrüger handeln, denn Judith ist sich sicher, dass ihr Sohn nicht mehr lebt. Aber was will dieser Mann von ihr? Weiß er, dass Robert bald an Krebs sterben wird, und will sein Erbe sichern?
Als Robert sich während seines Auslandsaufenthaltes bei Judith meldet, erzählt sie ihm zunächst nichts von dem Anruf. Vielleicht ruft dieser Mann ja niemals mehr an. Doch es kommt anders. Als Robert wieder eine mehrtägige Reise unternehmen muss, meldet sich Tom abermals und will sie treffen. Judith willigt ein. Aber wen wird sie in dem Lokal „Intrigo“ vorfinden?
TOD EINES AUTORS (Rein)
Es war ein Husten, der ihn Aufhorchen ließ. Er kam ganz am Schluß des Beethoven Radio-Konzerts während der leisesten Partie des Rondos, und er erkannte es sofort. Es war Ewas Husten. Er war sogleich elektrisiert. Eigentlich hatte er nicht damit gerechnet, je wieder etwas von ihr zu hören. Drei Jahre waren seit damals vergangen, als sie ihm eröffnet hatte, dass sie ihn verlassen wollte, um mit ihrem Therapeuten zusammenzuleben.
Einige Tage nach diesem Vorfall bekommt er einen seltsamen Verlagsauftrag. Er soll das letzte Manuskript des gerade verstorbenen Autors Germund Rein übersetzen. Er kennt Rein, zuvor schon hatte er Werke von ihm übersetzt. Kennt seine Nomenklatur, seine Art und Weise zu schreiben. Doch dieses Mal gibt es eine Anweisung, die sehr mysteriös anmutet. Das Werk soll nur in der Übersetzung veröffentlicht werden, nicht in der Muttersprache des Autors. Er sagt zu und hat nun einen weiteren Grund nach A. zu fahren, um dort ein paar Monate zu wohnen. Und nach seiner Frau Ewa zu suchen. Beides geht er langsam an. Wie gewohnt, liest er das Manuskript nicht, sondern beginnt gleich Seite für Seite mit der Übersetzung, die er später überarbeitet. Täglich besucht er dazu die örtliche Bibliothek, in der er ohne Störungen an einem ruhigen Paltz arbeiten kann. Bis er auf eine seltsame Chiffrierung stößt, die er schließlich entschlüsselt. Er macht sich auf die Suche, ob die Hinweise, die er gefunden hat, wirklich existieren und wird fündig. Rein sollte ermordet werden, aber ist er wirklich tot?…
IN LIEBE AGNES
Der um einige Jahre ältere Ehemann von Agnes ist gestorben. Auf der Beerdigung erscheint auch Henny, Agnes langjährige Freundin. Doch beide haben sich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Henny verschwindet, ohne mit Agnes gesprochen zu haben. Stattdessen trifft einige Tage später ein Brief von ihr bei Agnes ein. Henny hat den Wunsch, Agnes wieder näher zu kommen. Und so beginnt ein regelmäßiger Briefverkehr. Erinnerungen leben wieder auf, die nicht nur positiver Natur sind. Vergangenheit und Gegenwart bekommen eine andere Lesart, und als Henny eine außergewöhnliche Bitte an Agnes stellt, muss diese erst einmal einige Tage darüber nachdenken, ehe sie antwortet. Doch inzwischen ist nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr gewährleistet, dass sie in ihrem Haus weiter wohnen kann. Und die Angelegenheit, um die sie Henny gebeten hat, erscheint Agnes nun in einem anderen Licht. Sie entscheidet sich schließlich, gegen Geld das zu tun, um das sie Henny gebeten hat.
Und das Schicksal ist herausgefordert……
DIE WILDORCHIDEE AUS SAMARIA
Sie liebten sie alle und nannten sie Wildorchidee, die Jungen aus ihrer Schulklasse. Kurz vor dem Abitur auf der großen Schulfete trifft Henry sie, als sie leicht angetrunken mit ihrem Rad nach Hause fahren will. Er begleitet sie ein Stück und dann passiert etwas, was er nie zu hoffen gewagt hat. Sie schläft mit ihm. Doch danach ist sie spurlos verschwunden.
Dreißig Jahre später ist Henry Sprachlehrer und kommt auf Bitten seines Freundes zurück in seine Heimatstadt. Niemand weiß davon und doch erhält er eine handgeschriebene Notiz von der Frau, die alle nur Wildorchidee nannten und die eigentlich seit dreißig Jahren tot ist…
Håkan Nesser hat in allen Geschichten das Verschwinden einer Person thematisiert, die obgleich für tot gehalten, zurückkehrt, sei es in der Wirklichkeit oder nur als Idee. Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, wir können gedanklich darin leben, uns von zukünftigen Ideen und vergangenen Begebenheiten beeinflussen lassen. Wie gehen die Protagonisten mit diesen Täuschungen und Wunschvorstellungen um? Die Geschichten sind von geheimnisvoller, spannender Subtilität, atmosphärisch dicht und voller überraschender Wendungen. Ein besonderes Lesevergnügen.
Håkan Nesser
Intrigo
Übersetzung: Gabriele Haefs und Paul Berf
ISBN: 978-3-442-71601-2
Verlag: Randomhouse/btb