Diese Frau muss man einfach lieben! Gloria ist 58 Jahre alt, geschieden und ihre Kinder sind schon aus dem Haus. Doch allein will sie ihre Tage und Nächte nicht verbringen. Dem Alter und der Einsamkeit trotzend, tanzt sie voller Lebenslust auf Single-Partys und flirtet, was das Zeug hält. Als sie den sieben Jahre älteren Rodolfo kennenlernt, scheint sie endlich eine neue Liebe gefunden zu haben. Doch was leidenschaftlich und liebevoll beginnt, wird für Gloria bald zu einer emotionalen Achterbahnfahrt. Zwischen Hoffnung und Enttäuschung schwankend erkennt sie schließlich, dass das Leben noch viel für sie bereithält. Denn diese Frau lässt sich nicht unterkriegen. Nach jedem Rückschlag steht Gloria wieder auf und ihr Stern strahlt heller als zuvor.
GLORIA war auf der diesjährigen Berlinale der große Publikums- und Kritikerliebling. Besonders Hauptdarstellerin Paulina García wurde für ihre charismatische, vielschichtige und intensive Figurenzeichnung gefeiert und gewann verdientermaßen den silbernen Bären. GLORIA ist das Portrait einer sympathischen, humorvollen und souveränen Frau, die das Leben liebt und lebt – eine mitreißende Heldin, wie man sie im Kino schon lange nicht mehr erleben durfte!
INTERVIEW MIT SEBASTIÁN LELIO
Wie wurde die Idee zu diesem Film, der Geschichte einer Frau namens Gloria, geboren?
Das Projekt GLORIA ergab sich aus Überlegungen darüber, ob es wohl möglich wäre, einen Film über die Frauen aus der Generation meiner Mutter zu drehen, und – falls ja – wie ein solcher Film denn dann aussehen könnte. Außerdem hatte ich die Eingebung, dass man für ein gutes Filmsujet manchmal viel weniger weit zu suchen braucht, als man es sich vielleicht zunächst gedacht hätte. Ich hatte einfach Lust, den mir vorerst noch fremden Planeten dieser Generation zu erforschen und zu sehen, was mir dort wohl begegnen würde…
Diese Frauen, die auf die 60 zugehen und sich im heutigen Santiago de Chile durchs Leben schlagen müssen, fand ich irgendwie faszinierend: Typen wie Gloria eben, die sich in einer ihnen nicht gerade wohl gesonnenen Umgebung über Wasser zu halten versuchen, die sich beim Autofahren laut singend bei Laune halten, die weitgehend auf sich selbst gestellt sind, für die niemand sonderlich viel Zeit zu haben scheint und die trotz all der Jahre, die sie schon hinter sich gebracht haben, immer noch nicht zu resignieren bereit sind. Stattdessen gieren sie unverdrossen nach Leben, sie gehen tanzen und wollen sich vergnügen. Der Film möchte sich für ihr Recht einsetzen, eben dies zu tun, und er tut dies am Beispiel einer liebenswerten Frau, die sich mit allem, was sie hat, ihre Lebensfreude erhalten will.
Der Soundtrack spielt in diesem Film eine wichtige Rolle. Wovon haben Sie sich bei der Auswahl der Musik leiten lassen?
GLORIA ist im Wesentlichen ein Film über Gefühle. Und da es kaum etwas gibt, womit sich Gefühle besser vermitteln lassen als eben durch Musik, spielt diese eine zentrale Rolle für die Handlung: Ihre Funktion ist fast mit derjenigen des Chors im antiken griechischen Theater vergleichbar, der ja auch fortwährend in die Geschichte eingreift. Gleichzeitig dient die Musik aber auch den Filmfiguren selbst immer wieder als ein wichtiges Ausdrucksmittel: Sie verinnerlichen sich den emotionalen Gehalt der Lieder, die sie hören und singen oder zu denen sie tanzen, in so hohem Maße, dass sie damit unbewusst etwas über ihr eigenes Leben aussagen – ganz so, als würden sich in der Musik ihre eigenen Erlebnisse und Kümmernisse widerspiegeln.
Der Soundtrack wurde so zusammengestellt, dass er Glorias Generation entspricht. Die einzelnen Stücke reichen von weltweit bekannten Schlagern bis hin zu chilenischen und lateinamerikanischen Evergreens: Diskohits sind ebenso dabei wie Boleros, romantische Balladen, Salsas, Cumbias, ein wenig Rock ’n‘ Roll und schließlich auch ein berühmtes Bossa-Nova-Lied, nämlich „Águas de Março“ von Tom Jobim. Dieses letztgenannte Stück hatte besondere Bedeutung für mich, da es mir wie ein Leitmotiv dazu verhalf, die Tonart des Films endgültig festzulegen: Meine Wunschvorstellung war es nämlich, dass Gloria etwas von der Aura eines Bossa Nova ausstrahlen sollte, also etwas von jener Poesie des Alltags, in der sich Charme und Anmut, Leichtigkeit und Melancholie, eine Prise Humor und ein wenig Herzschmerz, vor allem aber Gefühl und Menschlichkeit miteinander verbinden.
Wie würden Sie GLORIA im Verhältnis zu Ihren vorigen Filmen einordnen?
Meines Erachtens stellt GLORIA die natürliche Fortsetzung meiner drei bisherigen Filme dar. Zwar handelte es sich diesmal um eine größere Produktion, mit mehr Figuren und mehr Schauplätzen, jedoch steht erneut eine Lebenswelt im Mittelpunkt, mit der ich mich zuvor eingehend befasst habe. GLORIA lotet aus einer neuen Perspektive gewisse thematische und formale Aspekte aus, die ich bereits in „La Sagrada Familia“, „Navidad“ und „El año del tigre“ erforscht habe: die beharrliche Beobachtung von Figuren, die an einem Scheideweg ihrer Entwicklung stehen; die Familie als eine geheiligte Falle; das Spannungsverhältnis zwischen Filmfigur und realer Person; und schließlich die Überzeugung, dass man beim Drehen eines Films einen Kampf mit offenem Visier auszufechten hat.
Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit den Darstellern beschreiben?
GLORIA ist ganz auf die zentrale Protagonistin des Films zugeschnitten. Daher stand Paulina García, die Hauptdarstellerin, durchwegs im Mittelpunkt des ganzen Projekts. Der Film wurde ihr sozusagen auf den Leib geschneidert. Ihr Gegenüber ist Sergio Hernández, ein Darsteller, den ich sehr bewundere und den ich nun durch die Arbeit an diesem Film kennenlernte. Beide zeichnen sich durch ein kraftvolles und fesselndes Spiel aus, was die ganze Sache erheblich erleichterte.
Wir gingen von dem Prinzip aus, dass die Drehorte ein Terrain darstellten, für das uns das Drehbuch eine Art Landkarte liefern sollte, was übrigens der Grund dafür ist, dass wir zwei Jahre lang am Skript arbeiteten. Auf dieser Grundlage konzipierten wir ein Set, das Raum fürs Improvisieren ließ. Die Darsteller würden so gezwungen sein, ihr Innerstes zu erforschen, um Lösungen für jede einzelne Szene zu finden. Damit waren die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auch unbewusste Elemente zum Vorschein kommen konnten: Dinge, die ihren eigenen Gesetzen folgten, die Würze in die Filmhandlung brachten und schließlich zur eigentlichen Essenz der Erzählung wurden.
Ein Film von Sebastián Lelio
Kinostart: 8. August 2013
Gloria PAULINA GARCÍA
Rodolfo SERGIO HERNÁNDEZ
Pedro DIEGO FONTECILLA
Ana FABIOLA ZAMORA
Luz COCA GUAZZINI
Hugo HUGO MORAGA
Stab
Regie
SEBASTIÁN LELIO
Produzenten JUAN DE DIOS LARRAÍN, PABLO LARRAÍN, SEBASTIÁN LELIO,
GONZALO MAZA
Drehbuch SEBASTIÁN LELIO, GONZALO MAZA
ausführender Produzent MARTÍN CÁRCAMO
Kamera BENJAMÍN ECHAZARRETA
Szenenbild MARCELA URIVI
Produktionsleiter EDUARDO CASTRO
Schnitt SOLEDAD SALFATE, SEBASTIÁN LELIO
Technische Daten
Länge: 110 Min.
Produktionsland / Jahr: Spanien/Chile 2012