Sie stammen aus Rumänien und anderen EU-Staaten oder sind im Zuge der Osterweiterung nach Deutschland gekommen: Unzählige Arbeitsmigrant*innen arbeiten auf deutschen Baustellen, in Schlachthöfen, als Lkw-Fahrer*innen oder als Reinigungskräfte in Hotels und Firmen. Ihre Entlohnung ist zumeist so niedrig, dass von systematischer Ausbeutung gesprochen werden kann. Sie kommen freiwillig, doch bei der Entscheidung, ihr Land zu verlassen, um in Deutschland arbeiten zu können, steht eine wirtschaftliche Notsituation dahinter. Deutschland ist auf diese Menschen angewiesen, denn es herrscht bei uns ein Mangel an Arbeitskräften. Warum hat sich trotzdem ein solch ausbeuterisches System herausbilden können und weshalb ist es auch weiterhin stabil? Inwieweit haben die Politik und die Gesellschaft dazu beigetragen, dieses System zu manifestieren? Diesen Fragen geht der Journalist Sascha Lübbe in seinem Buch „Ganz unten im System“ nach.
Dabei entlarvt er das Kraken-artige Geflecht aus teils kriminellen Firmen – eine trübe Schattenwelt, in der die Grenze zwischen Legalität und Illegalität verschwimmt. Und befragt Arbeiter*innen, bei denen er Angst und Zermürbung, Resignation und Fatalismus, aber auch Wut und Widerstand feststellen konnte. Sie leben in prekären Verhältnissen und müssen teilweise dafür hohe Mieten zahlen. Schicken Geld nach Haus und hoffen bald wieder dorthin zurückkehren zu können. Nur wenigen gelingt es, einen anderen Job zu bekommen, der nicht ausbeuterisch ist.
Für viele insbesondere aus dem Baugewerbe kommende Unternehmen dagegen lohnt es sich, dieses Outsourcing zu betreiben: Eine bestimmte Anzahl des Stammpersonals bleibt erhalten, während die benötigte Arbeiterzahl zugekauft(!) wird.
Unmenschlich und würdelos, so werden Arbeitskräfte behandelt, die aus anderen Ländern zu uns kommen. Wir brauchen sie und unsere Konsumwelt sähe erheblich schlechter aus, wenn wir sie nicht hätten. Mit seinem erschütternden und wichtigen Buch „Ganz unten im System“ gelingt es dem Journalisten Sascha Lübbe, einen tiefen Einblick in die Strukturen des Systems und das Leben der Menschen zu gewähren. Es öffnet unser Augen für die Ungerechtigkeiten, die diese Menschen erleiden müssen und hinterlässt Spuren bei den Leser*innen. Und hoffentlich auch bei Verantwortlichen den Willen, positive Veränderungen endlich einzuleiten.
Sascha Lübbe arbeitet als Reporter und Autor in Berlin. Er war für den Deutschen Reporter:innen-Preis, den Deutschen Journalistenpreis und den Alternativen Medienpreis nominiert. Seine Artikel erscheinen unter anderem bei Zeit Online, taz, NZZ, Welt am Sonntag, stern.de. Seine Schwerpunktthemen sind Migration, Integration und soziale Ungleichheit*
GANZ UNTEN IM SYTEM von Sascha Lübbe
ISBN 978-3-7776-3408-1
Verlag: Hirzel