FRAGMENTS ist der Titel einer neuen Werkreihe des Plattenlabels Deutsche Grammophon, die genreübergreifende, elektronische Neuinterpretationen von Pionieren der klassischen Musik präsentiert. Die Musik des französischen Avantgardisten Erik Satie steht im Mittelpunkt der ersten Folge der Serie. Satie gilt als Vaters des modernen Minimalismus, der mit den ausgedehnten Wiederholungen in seinen Klavierstücken die Phasenschleifen von Steve Reich, die Arpeggien von Philip Glass und die tanzenden melodischen Fragmente von Terry Riley vorwegnahm.
Selbst ein Jahrhundert nach seinem Tod ist Saties Einfluss allgegenwärtig und zeigt sich in den Kompositionen von Brian Eno, Apex Twins und Ludovico Einaudi oder der Musik der amerikanisch-kanadischen Rockband Blood, Sweat and Tears, die 1968 eine Coverversion von Saties „Gymnopédic no. 3“ aufnahmen.
Über die Exzentrik Saties, der stets in einem grauen Samtanzug zu sehen war, ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Hinter seiner Musik stand jedoch stets der ernsthafte Wunsch, etwas Neues zu schaffen. Denn in einer Zeit, in der die französischen Komponisten aus dem Schatten von Wagners epischer Romantik heraustreten wollten, bot Satie mit seinen mechanischen Klängen, die von der einfachen Drehorgel inspiriert waren, einen radikal einfachen Ansatz.
Den Bruch mit der Musik seiner Zeit kann man in seinen populären Klavierstücken hören: die eindringlichen Skalen und Rhythmen der „Trois Gnossiennes“, die im Bann der rumänischen Volksmusik geschrieben wurden, und die meditative Welt der „Gymnopédies“, in denen die Motive wie in einem kubistischen Gemälde von allen Seiten „betrachtet“ werden.
Diese und andere Klavierwerke haben im exzellenten Album FRAGMENTE Erik Satie Aufnahme gefunden in fulminanten Neuinterpretationen durch einige der kreativsten Köpfe der Elektroszene der Gegenwart. Künstler wie Dominik Eulberg, Henrik Schwarz, Pantha du Prince, Christian Löffler oder das Berliner Duo Two Lanes, das „Passer“, den zweiten der »Danses de travers« aus den Pièces froides neu bearbeitet hat. Hierfür haben die Berliner einige Stellen auf dem Klavier eingespielt und diese Aufnahmen mit elektronischen Beats und analogen Synthesizer-Klängen gemischt. Eine musikalische Übersetzung der Musik Saties in ihre eigene musikalische Sprache.
Erfrischend zu sehen ist dabei, welchen großen Spielraum für individuelle Ansätze und kreative Reinterpretationen die Musik des großen Franzosen lässt, wenn man etwa das Stück „Gymnopédie No. 3“ in der Version von Henrik Schwarz mit der von Pantha du Prince vergleicht.
An Einspielungen von Saties Klaviermusik herrscht gewiss kein Mangel, aber dieses hervorragende Album „Fragments“ zeigt, welche erneuerbare Kraft immer noch von seiner Musik ausgeht. Der geistreiche und unangepasste Satie hätte bestimmt diesen zeitgenössischen Interpretationen seiner Musik vollen Herzens zugestimmt.
Fragments ist heute bei Deutsche Grammophon erschienen