Filmkritik: Durch die Wand

DURCH DIE WAND ist ein Dokumentarfilm über die Überwindung von Hindernissen. Das Durchsteigen der knapp 1000 Meter hohen spiegelglatten, fast senkrechten Steilwand des El Capitan im Yosemite Nationalpark galt unter Freikletterern als unmöglich. Den 22jährigen Tommy Caldwell hielt dies indessen nicht davon ab, sich fast zehn Jahre lang der minutiösen Erkundung jeder einzelnen Felsspalte zu widmen, um eine Route zu entdecken, die ihm machbar erschien.

Bis zum Gipfel sind es 32 Seillängen. Jeder Abschnitt zwischen den Kletterhaken misst etwa 30 Meter. Am 14. Januar 2015 stand Caldwell nach knapp drei Wochen gemeinsam mit seinem Partner Kevin Jorgeson oben auf dem Gipfel.

Die eigenen Fingerkuppen tun einem beim Betrachten des Films weh. Caldwell und Jorgeson baumeln an Sicherheitsseilen, aber an der Steilwand hängen sie nur mit ihren Händen, stemmen sich mit den Füßen gegen die Wand in der Hoffnung, nicht abzurutschen.  Der 1000 Meter hohe Granit ist zudem scharf wie eine Rasierklinge und schlitzt die Fingerspitzen auf. Immer wieder stürzen sie ab, müssen von vorne beginnen, so lange, bis beide den Abschnitt bewältigt haben.  Jedem, der sich schon einmal einen Baum hochgehangelt hat, ist klar, dass der Durchstieg der fast senkrechten Felswand ein irrwitziges Kunststück ist.

Tommy Caldwell beim Klettern an der fast senkrechten Felswand Fotos: © Brett Lowell

DURCH DIE WAND ist freilich mehr als ein gut gemachter Film mit atemberaubenden Aufnahmen über den Klettersport. Der Film behandelt in einer Reihe von Einblendungen immer wieder auch das vergangene Leben der beiden Extremsportler, bevor sich diese kennenlernten. Mit 16 gewinnt Caldwell einen Kletterwettbewerb in Utah gegen weit erfahrenere Athleten, bei dem er sich in letzter Minute eingeschrieben hatte. Caldwell, ein schlechter Schüler, hat fortan seine Berufung gefunden. Dann trifft er Beth Rodden, eine junge Frau, die wie er den Klettersport liebt. Schon bald sind die beiden unzertrennlich.

Bei einer gemeinsamen Klettertour im Hochgebirge von Kirgisistan werden sie von islamistischen Rebellen entführt. Beide überleben, die traumatische Erfahrung bringt sie einander näher. Sie heiraten, alles ist eine Weile gut, doch dann leben sie sich auseinander und lassen sich scheiden. Für Caldwell ein schwerer Schlag, den er nur bewältigt, indem er jahrelang in einer Mischung aus Hingabe und Besessenheit nach einer Route durch den El Caiptan sucht, die für in machbar ist.

Weltweites Medieninteresse rief diese waghalsige Erstbesteigung hervor. Insgesamt 19 Tage lebten die Kletterer an der Wand. Regie führten die erfahrenen Bergfilmer Josh Lowll und Peter Mortimer.

Der Film ist hochspannend und besticht durch atemberaubende Bilder – ein außergewöhnliches Kinoerlebnis. Ab heute zu sehen.


Fotos: © Brett Lowell

Standardbild
Hans Kaltwasser
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