Romane machen Zeitreisen in die Vergangenheit möglich. Das Lesen über eine Zeit, die man nicht selbst erlebt hat, erweitert das Wissen darüber und kann zu einem besseren Verständnis führen. Wenn es jedoch um eine Zeit geht, die von Ungerechtigkeiten, Grausamkeiten und mannigfaltigen Verletzungen der Menschenrechte geprägt war, so wird die Lektüre umso wichtiger. Gerade in einer Zeit, in der die Shoa abermals geleugnet wird und der Antisemitismus wieder stärker hervortritt. Denn die Geschichte des Romans „Endstation Hoffnung“ ist die von Auschwitz und der unermesslichen Tragödie, die der Holocaust war.
Protagonist ist der junge Professor Isaia Maylaender, der im Juni 1944 mit seinen Eltern und vielen anderen in einem Viehwaggon nach Auschwitz-Birkenau deportiert wird. Eigentlich wollte er mit seinen Eltern deren Hochzeitstag feiern. Nun sind sie tot und ihn selbst quälen Schuldgefühle und die unbarmherzige und unmenschliche Realität des Lagers drohen ihn zu verschlingen.
Misstrauen und Verrohung machen sich durch die unmenschlichen Bedingungen, Selektion, Schläge, Erniedrigungen bei den Mithäftlingen breit. Jeder ist sich selbst der Nächste, nur selten kommt so etwas wie Freundschaft zustande. Auch Isaia wird immer mehr klar, dass er alles tun muss, um zu überleben oder seinem Leben ein schnelles Ende zu bereiten. Er meldet sich zum Einsatz bei den Sonderkommandos, die beim Ausräumen der Gaskammern und dem Verbrennen der Leichen eingesetzt werden. Nun fühlt er sich ganz am Rand des Abgrunds.
Als alles verloren scheint, weckt ein unerwarteter Vorschlag Hoffnung in ihm: Hillgruber, ein SS-Offizier, betraut ihn mit der Aufgabe, die im Krakauer Ghetto beschlagnahmten Bücher zu katalogisieren und in einer Bibliothek zu organisieren. Damit verbindet Isaia sogleich die vage Hoffnung, vielleicht überleben und seine Erlebnisse für die Nachwelt einmal festhalten zu können. Zudem glaubt er, die Nazi-Soldaten durch das Lesen guter Bücher menschlicher machen zu können. Hillgruber ist von dem Professor, wie er Isaia nennt, angetan und übertragt ihm überdies die Aufgabe, seinem Sohn das Lesen beizubringen.
Inzwischen ändert sich das Kriegsgeschehen zuungunsten Nazi-Deutschlands. Die Sowjets rücken näher an Auschwitz heran und Hillgruber will seine Memoiren von Isaia schreiben lassen. Geschönt soll der SS-Mann in einem unschuldigeren Licht erscheinen, um möglichen Verurteilungen zu entgehen.
Fragen der Menschlichkeit, der Moral und des Gewissens werden in dem packenden Roman „Endstation Hoffnung“ so intensiv und hautnah beschrieben, das man manchmal lieber nicht weiterlesen möchte. Die authentische Beschreibung ist präzise bis ins Kleinste wie etwa die Nahrung, die ihren Namen nicht verdient, die Kleidung, der Dreck und der schier unerträgliche Gestank der Leichen. Die Angst in den Augen der Menschen, wenn sie nicht wissen, was mit ihnen passiert.
Andrea Frediani lässt die Leser*innen an der Tragödie Auschwitz-Birkenau teilnehmen – und das ist gut so. Und eines wird zusätzlich deutlich, die positive Kraft der Bücher, die auch von diesem Roman ausgeht, der unbedingt empfehlenswert und überaus wichtig ist.
Endstation Hoffnung (Il bibliotecario di Auschwitz)
Autor: Andrea Frederani
aus dem Italienischen übersetzt von Sandra Hoffmann
420 Seiten
ISBN: 978-3-947404-44-5
Verlag: Salon Literatur Verlag
Andrea Frediani wurde 1963 in Rom geboren. Er gilt als einer der bekanntesten populärwissenschaftlichen Autoren für Geschichte in Italien und hat mit zahlreichen Fachzeitschriften zusammengearbeitet. Seine Webseite lautet www.andreafrediani.it. In Italien hat er bei Newton Compton über 60 Bücher veröffentlicht, darunter sowohl Romane als auch geschichtliche Sachbücher. Er hat mehr als eineinhalb Millionen Exemplare verkauft. Im Ausland gibt es in acht Ländern Übersetzungen seiner Werke.