Emmylou Harris & Rodney Crowell: “Old Yellow Moon”

Seit fast 40 Jahren sind sie bereits partner in music: EMMYLOU HARRIS und RODNEY CROWELL, der als Gitarrist und Duett-Partner neben James Burton, Glen Hardin, John Ware und Emory Gordy Jr. zur Erstbesetzung von HARRIS‘ legendärer Hot Band gehörte. 

Mit Old Yellow Moon gibt es nun endlich ein offizielles gemeinsames Album der beiden Songwriter, an dem sie zu gleichen Teilen beteiligt sind. Denn das 12 Songs starke Duett-Album Old Yellow Moon enthält gleich vier Kompositionen CROWELLs, der schon einen expliziten Ruf als eigenständiger Songwriter besaß, als er zur Hot Band stieß. Was lange währt, wird eben endlich gut, und so stellt Old Yellow Moon die besten Qualitäten beider Songwriter heraus, die – musikalisch gesehen – als wahres Traumpaar der Country-Duette gelten. Überdies fanden sich viele Hot Band-Mitglieder zu den Sessions zu Old Yellow Moon in Nashville ein, neben gewichtigen Gästen wie Violinist Stuart Duncan, Gitarrist und Sänger Vince Gill und Little Feat-Keyboarder Bill Payne. Old Yellow Moon wurde von Brian Ahern produziert.

Auch wenn der Titelsong des Albums, Old Yellow Moon, der letzte Song auf dieser ersten Full-Length Zusammenarbeit ist, bildete er den Startblock für das, was dann noch kommen sollte.

Wir saßen an Aherns Küchentisch, um ein paar Songs auszusuchen. Brian hatte seine außergewöhnlichen Mikrophone an den Computer angeschlossen, damit wir ein kleines Demo machen konnten. Wir sangen spontan drauflos, und irgendwie kam ich auf Old Yellow Moon von Hank DeVito und Lynn Langham.

Ihre Stand-Up-Performance stellte sich als so berührend und natürlich heraus, dass Producer Ahern entschied, einen ganzen Track darum zu bilden. „Das ist eigentlich eine Küchentisch-Aufnahme“, lacht HARRIS. „Brian hat Lynn später eingeladen, um das Piano dazu zu spielen, denn sie hatte das Gefühl, nur sie selbst könne unserer Version gerecht werden. Wir fügten noch dies und das hinzu, und so wurde es zum Titelsong des Albums.“ Und nach einer kurzen Pause erklärt sie: „Ich liebe es, wie dieses Album geboren wurde!“

Es war ungefähr vierzig Jahre zuvor, im Jahr 1974, als HARRIS die Stimme von RODNEY CROWELL erstmals hörte. Auch damals saß sie, allerdings in Toronto, an einem Tisch mit Ahern, der HARRIS‘ erste Soloaufnahmen für Warner Bros. nach dem plötzlichen Tod Gram Parsons produzieren sollte. Sie begutachteten Song-Demos, aber die Session lief nicht besonders gut. HARRIS erinnert sich:

Es gab nichts, was mich ansprach, und Brian sagte schließlich zu mir: Weißt Du, Emmy, Du musst Dir keinen ganzen Song anhören. Du wirst nach den ersten Takten wissen, welcher der richtige ist. Am Ende des Tages ohne Ergebnis meinte Brian: Gut, ich habe noch eine Sache, einen Songwriter, den ich selbst noch nicht gehört habe. Ich habe ihn gesignt, weil ihn mir jemand empfohlen hat, auf dessen Meinung ich vertraue. So hörten wir beide zum ersten Mal RODNEY. Der erste Song war Bluebird Wine, und vom ersten Takt an wusste ich: Das war die Bombe. Brian versuchte sofort, RODNEY zu erreichen, der gerade in einem Flugzeug saß. Schließlich kam in Washington, DC, wo ich damals lebte, ein Treffen zustande. Er spielte mir Till I Gain Control Again vor, und ich wusste, dass mein Instinkt mich richtig geführt hatte.

 

Ein Jahr später, so erinnert sich CROWELL, fuhr HARRIS durch Austin, CROWELLs damaliger Heimat, und spendierte ihm ein Flugticket nach Los Angeles. CROWELL wurde Rhythmus-Gitarrist und Harmonie-Sänger in ihrer damaligen Hot Band. EMMYLOU HARRIS wurde schnell als eine der besten Song-Interpreten im Bereich Folk, Country und Rock bekannt, und auch CROWELL unterschrieb kurz darauf einen Solovertrag und veröffentlichte 1978 sein Solo-Debüt Ain’t Living Long Like This. In der Folge wurde er ein vielgefragter Songwriter, Producer und Performer, dessen Songs von Größen wie Johnny Cash, The Grateful Dead, Etta James und Bob Seger gespielt wurden – und der weiterhin sehr von EMMYLOU HARRIS geschätzt wurde.

Bluebird Wine wurde 1975 zum Opening Track von EMMYLOU HARRIS‘ Top-10 Country-Debüt Pieces Of The Sky. Ahern und HARRIS bestanden darauf, den Song neu aufzunehmen, nur CROWELL hegte Zweifel: „Ich sagte: ‚Kommt Leute, ich schrieb den Song als ich 21 oder 22 war, irgendwann damals, ich kann es heute besser.‘ Also ging ich nach Hause und schrieb die ersten zwei Strophen um, denn der beste Freund des Songwriters ist das Überarbeiten. Also tat ich es und sagte: ‚Okay, so passt es ein bisschen besser zu meinen heutigen Gefühlen'“.

HARRIS fügt hinzu: „Das Fleisch des Songs ist dasselbe, aber er nahm sich das Recht des Autoren heraus, ein paar Dinge zu ändern, so dass es sein heutiges Leben reflektiert. Musikalisch ist es derselbe Song, und auch die Seele des Songs ist gleich geblieben – es ist ein Song voller Freude. Und ob man mit 20 froh ist oder mit 60 – es ist immer noch Freude.“

Der Lauf der Zeit – gut verbrachte Zeit, verschwendete Zeit – ist ein wiederkehrendes Motiv auf Old Yellow Moon, besonders auf Martha Bergs herzzerreißendem Back When We Were Beautiful und CROWELLs außergewöhnlich weisem Here We Are, das HARRIS bereits 1979 im Duett mit George Jones aufgenommen hatte. „Ich liebe diesen Song“, erklärt sie. „Und auch wenn ihn damals mit George Jones gesungen habe, schien er mir perfekt für dieses Projekt. Es könnte ein Song über Liebende sein oder über eine Beziehung, aber für mich geht es vor allem um Freundschaft.“

Wie bei Here We Are bot Old Yellow Moon CROWELL eine gute Gelegenheit, einige seiner Songs einzuspielen, die er bis dahin noch nie selbst aufgenommen hatte, etwa Bull Rider, das sein ehemaliger Schwiegervater Johnny Cash schon 1979 in sein Repertoire aufgenommen hatte. Bull Rider besitzt einen nahezu filmischen Charakter und basiert auf CROWELLs eigenen Jugenderfahrungen in Texas, die er auch in seinen 2010 erschienenen Memoiren Chinaberry Sidewalks beschrieb: „Wenn man in Texas aufwächst, reitet man Bullen, so wie Stadtkinder Basketball spielen. Es ist einfach ein Teil der Kultur, Teil des Lebensrhythmus‘. Ich habe vor allem die Sprache des Rodeo immer geliebt. Sie besitzt einen poetischen Tonfall. Ich erinnere mich daran, dass ich dies in diesem Song einfangen wollte.“


Foto: David-McClister
Foto: David McClister

Für CROWELL und HARRIS, letztere eine leidenschaftliche Song-Sammlerin, ist Old Yellow Moon eine Möglichkeit, all jene Songs zu präsentieren, die beide schon seit Jahren einmal neu angehen wollten, nämlich Country-orientierte Melodien, besonders Honky-Tonk-Nummern, die auf die eine oder andere Art für ihre gemeinsame Geschichte stehen. HARRIS bemerkt dazu: „All diese Freundschaften, diese wunderbaren Verbindungen, kommen auf dem Album zusammen, viele davon, ohne dass wir einen bestimmten Gedanken verfolgten.“ Der Opener Hanging Up My Heart, auf dem Harmonie-Gesänge von Vince Gill zu hören sind, erschien ursprünglich als Titelsong des ersten Country-Albums der Schauspielerin und Sängerin Sissy Spacek. CROWELL selbst produzierte das Album 1983, bevor Sissy mit Coal Miner’s Daughter einen großen Erfolg landete. Geschrieben wurde der Song von Hot Band-Mitglied DeVito, der auch Black Caffeine co-komponiert hat, das in Zusammenarbeit mit Donivan Cowart entstand. HARRIS: „Wir liebten Black Caffeine, aber es war eines dieser eigenartigen Demos, vor denen wir eine gewisse Scheu hatten. Aber ich glaube, wir haben es am Ende sehr gut hinbekommen.“ CROWELL war zudem ein großer Fan des Kris Kristofferson-Albums This Old Road von 2006 (CROWELL behauptet, er hätte „in diesem Album gelebt“), und schlug vor, das reumütige Chase Of Feeling mit aufzunehmen.

Der grazile Walzertakt von Allen Reynolds‘ Dreaming My Dreams, der durch Waylon Jennings große Bekanntheit erreichte, ist zweifelsohne eines der Highlights auf dem Album, obwohl er am Anfang gar nicht auf der Wunschliste stand. Sie stießen darauf, als sie für einen anderen Song probten, und HARRIS fragte schließlich: „Warum machen wir den nicht einfach? Waylons Version ist eine der perfektesten, aber wenn man ihn zu einem Gespräch zwischen zwei Freunden werden lässt, gibt es ihm etwas ganz Neues. Es setzt den Song in einen anderen Zusammenhang, was man immer tun sollte, wenn man einen Song covert, der bereits seinen Platz in der Musikgeschichte hat. Ich denke, Rodney und ich konnten dem Song durchaus eine Dimension hinzufügen, und Brians Produktion ist einfach überwältigend. Es schadet auch überhaupt nicht, Gitarrist James Burton darauf spielen zu lassen.“

EMMYLOU HARRIS suchte dann noch einen Song von E Street Band-Mitglied Patti Scialfa aus: Spanish Dancer aus ihrer weit unterschätzten Rumble Doll-Kollektion von 1993. „Es erzählt auf eine sehr besondere Art von einer weiblichen Erfahrung; es ist so wunderschön. Ich hatte es seit Jahren auf meiner Liste der Songs, die ich gern interpretieren wollte, und ich hatte schon die Befürchtung, dass es nie geschehen würde. Ich habe es fast widerwillig vorgeschlagen. Ich dachte, vielleicht bin ich schon jenseits dessen, vielleicht kann ich es in dieser Lebensphase nicht mehr wirklich so interpretieren, wie es das verdient, aber manche Dinge sind so allgemeingültig, dass es nichts ausmachte. Du sehnst dich immer nach bestimmten Dingen, ganz egal, in welchem Alter du stehst.“

Wieder mit EMMYLOU HARRIS ins Studio zu gehen, „fühlt sich genau so an wie immer“, so CROWELL. „Wir waren jung und naiv, und das war sehr entzückend, und die ganze Welt lag noch vor uns. Dann geht man weiter. Emmy und ich sind uns all die Jahre nahe geblieben, aber sie ging ihren Weg und ich einen anderen, und manchmal haben wir uns zufällig getroffen. Aber als wir jetzt wieder zusammenkamen, war es, als sei überhaupt keine Zeit vergangen. Wir sind in dieser Hinsicht wie Blutsbrüder.“

„Vom ersten Moment an, als wir uns damals mit zwei Gitarren und unseren Lead-Voices auf dem Boden im Studio zusammensetzten, während wir Don Gibson-Songs sangen und einfach herumgespielt haben, sagten wir uns, dass wir eines Tages ein gemeinsames Album aufnehmen wollen“, bestätigt HARRIS. „Es schien immer unausweichlich. Aber nichts ist unausweichlich, wenn du dir nicht an irgendeinem Punkt die Zeit nimmst, zu sagen: ‚Ok, jetzt tun wir es‘. Es war immer etwas, was irgendwann einmal geschehen würde. Und ich bin froh, dass es nun passiert ist, an diesem Punkt in unserem Leben und unseren Karrieren.“

Old Yellow Moon steckt voller schöner Erinnerungen und tiefer Bindungen, aber es ist gleichzeitig auch ein Dokument darüber, wo sich die sich stets weiterentwickelnden EMMYLOU HARRIS und RODNEY CROWELL in diesem Moment befinden – als Musiker und als Freunde. Oder, wie CROWELL sagt: „Die Wahrheit liegt in der Tatsache, dass weder Emmy, soweit ich es beurteilen kann, noch ich die Arbeit eines Tages damit beenden, dass wir uns selbst auf die Schulter klopfen. Was immer wir vorher getan haben, ist immer nur ein Anfang gewesen. Es ist, als würde man sagen: okay, lass uns ein Album machen. Ist es nicht großartig, dass wir das können? Und dann kommen die Songs ins Spiel. Wenn sie gut sind, dann bemühst du dich, eine Performance abzuliefern, die dem Song auch gerecht wird. Und wenn du das oft genug gemacht hast, dann hast Du ein Album zusammen. Alles andere wäre gekünstelt. Ich denke, das ist die Verpflichtung gegenüber der Kunstform des Songs, damit wir ihn dann dem Publikum übergeben können, das ihn dann zu seinem macht.“

Old Yellow Moon ist EMMYLOU HARRIS‘ direkter Nachfolger zu ihrem Album Hard Bargain, das sich im vergangenen Jahr in die Top-20 der Billboard 200 spielte. Die Associated Press nannte es „hinreißend“ und bestätigte, dass HARRIS‘ „silberner Sopran in guter Form“ sei, während USA Today schrieb, es sei „exquisit… ihr unverwechselbarer Sopran, gleichzeitig körnig und ätherisch, legt sich immer noch wie die feinfühlige Wärme eines Engels um die Texte.“

Seit über 40 Jahren ist EMMYLOU HARRIS ein fester Bestandteil der amerikanischen Folkszene und gilt mit über 15 Millionen verkauften Alben als eine beständigsten Künstlerinnen ihres Genres. 12 Grammys kann die Grande Dame des US-Songwritings verbuchen, die am 2. April ihren 66. Geburtstag feiert. Als Interpretin und Songwriterin hat EMMYLOU HARRIS über 25 Alben veröffentlicht, zudem genießen HARRIS’ Kooperationen mit Gram Parsons, Neil Young, Roy Orbison, Linda Ronstadt und Dolly Parton den Status historischer Glanzleistungen. Wegweisend war auch ihre Arbeit mit Connor Oberst (Bright Eyes), Mark Knopfler und Daniel Lanois. Im Jahre 2008 wurde sie in die Country Music Hall Of Fame aufgenommen.

Auch RODNEY CROWELL ist ein mehrfacher Grammy-Gewinner. Einige seiner Songs fanden ihren Weg in das Repertoire von Johnny Cash, Norah Jones, Etta James, Grateful Dead und anderen. Sein 1988 veröffentlichtes Durchbruchs-Album Diamond and Dirt enthielt fünf US-No.1-Singles und sorgte für einen Grammy für den Song After All This Time. Seinen hochgelobten Alben The Houston Kid, Fate’s Right Hand, The Outsider und Sex and Gasoline folgte im Jahr 2010 die Veröffentlichung seiner Memoiren mit dem Titel Chinaberry Sidewalks. In diesem Jahr erschien KIN: Songs By Mary Karr and Rodney Crowell. Das Album debütierte auf Position 1 der Americana and Country Rock Album-Charts und hielt sich drei Wochen auf Platz 1 der Americana Charts. Zu den Ehrungen, die ihm zuteil wurden, gehören u.a. der ASCAP Lifetime Achievement Award und die Mitgliedschaft in der Songwriters Hall Of Fame.

[one_half]

Artist: Emmylou Harris & Rodney Crowell

CD: „Old Yellow Moon“

VÖ: 01.03.2013

Label: Nonesuch Records / Warner Music

[/one_half]

[one_half last=last]

Emmylou-Harris--Rodney-Crowell-Old-Yellow-Moon-CDCover-px400

[/one_half]


Hintergrund Foto: Warner Music / David McClister

JanKaltwasser
JanKaltwasser
Artikel: 116

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.