Ein letzter Job – Alter schützt vor bösen Taten nicht

Der Heist-Film EIN LETZTER Job erzählt eine ziemlich schräge Geschichte. Sieben Ganoven, die meisten von ihnen im Rentenalter, tun sich aus einem verlockenden Grund noch einmal zusammen: die Chance, Juwelen und Bargeld im Wert von über 200 Mio. Pfund zu rauben.

Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. 2015 brachen über die Osterfeiertage sieben Männer in den Tresorraum der Hatton Garden Safe Deposit Company im Londoner Stadtteil Holborn ein und raubten ihn aus. Ein Jahrhundert-Coup, der nicht von einer osteuropäischen Mafiaorganisation begangen worden war, wie man zunächst aufgrund der Dreistigkeit des Vorgehens vermutet hatte, sondern von einer britischen Rentnergang.   

Caine und seine Spießgesellen besprechen die Lage

Eher widerstrebend wird Brian Reader (Michael Caine) zum Anführer dieser grauhaarigen Bande. Eigentlich hatte er seiner verstorbenen Frau hoch und heilig versprochen, sich nie wieder auf dunkle Geschäfte einzulassen. Doch der Witwer langweilt sich. Außerdem war er zu lange im Geschäft, um sich eine einmalige Gelegenheit entgehen zulassen. Und als der schüchterne Alarmsystemexperte Basil (Charlie Cox) ihm erklärt, wie man einen Hochsicherheitstresor mit millionenschweren Inhalt knacken kann, trommelt er seine alte Gang noch einmal für einen letzten großen Auftritt zusammen. 

Readers Veteranen sind ein ziemlich bunt zusammengewürfelter Haufen. Brian mag der Kopf der Rentnergang sein, doch zwischen ihm und seinem alten Kumpel Terry (Jim Broadbent) herrscht böses Blut, das aus der gemeinsamen kriminellen Vergangenheit herzurühren scheint und sich anfangs in versteckten verbalen Hänseleien und Attacken zeigt, später offen zutage tritt. Da ist der Rest der  Bande schon sehr viel lustiger, wie der draufgängerische Danny (Ray Winstone), der pingelige John Kenny (Tom Courtenay) oder der ungepflegte Billy the Fish, den man an seinen zerzausten Haaren erkennt, und der dauernd aufs Klo muss.        

Auch sind sie längst nicht mehr die gewalttätigen Ganoven, die sie früher einmal waren. In Flashback-Sequenzen zeigt der Film, wie sie als junge Männer einen anderen Mann brutal zusammenschlagen. Heute sind sie schwerhörig, inkontinent, haben Diabetes, künstliche Hüften und leben von der Behindertenrente.

Familienfoto?

Anders als in den meisten Heist-Filmen, werden hier die technischen Details des Coups nur sparsam gezeigt. Als Arbeiter in gelben Signalwesten und mit Bauhelmen getarnt, gelangen die Ganoven am helllichten Tag unbemerkt durch einen Noteingang in das Gebäude, legen irgendwie den Lift still, seilen sich durch den Aufzugsschacht in das Gewölbe, brechen mit einer schweren Bohrmaschine Einstiegslöcher durch die dicke Betonwand, sprengen die Tresorwände und lassen Gold, Bargeld, und Juwelen mitgehen.

Die erste Hälfte von EIN LETZTER JOB ist amüsant anzusehen. Die ruppigen Wortgeplänkel der Männer bei ihrer Arbeit, ihre Witze über ihre Eigenheiten und Gebrechen. Doch in der zweiten Hälfte, nach dem gelungenen Raubüberfall, wird die Atmosphäre düsterer und grimmiger, nimmt gar paranoide Züge an, wenn alte Fehden und Eifersüchteleien aufbrechen. 

Zunächst geht alles gut. Doch dann kommt ihnen Scotland Yard auf die Schliche, verwanzt ihre Stammkneipe und hört mit, wie sie mit ihrem Coup prahlen und erzählen, was sie mit ihrer Beute alles zu tun gedenken. Zudem schleichen sich allmählich Gier und Misstrauen in die Beziehungen der Männer zueinander ein, und sie fangen an, sich zu belügen und betrügen.  Der Anfang vom Ende ist da.

Ende einer kriminellen Karriere

James Marsh („Vor uns das Meer“) hat den Film gemacht, der zeigt, dass auch alte Männer Dreckskerle sein könne. Der Film ist mit einer Handvoll bekannter britischer Schauspieler glänzend besetzt ist. Vor allem Michael Caine in der Rolle des Brian Reader ist großartig und zeigt noch einmal die ganze Palette seines großen Könnens. Zu Beginn sieht man ihn bei einem Rendezvous mit seiner Frau, die ihn bittet, sich jeglicher kriminellen Aktivitäten zu enthalten. Kurz darauf stirbt sie und Reader ringt mit Schuldgefühlen, weil er sein Versprechen bricht und den Raubüberfall plant und ausführt.

Caine spielt seine Rolle unglaublich gut mit viel Gespür für feine Akzente. Reader ist einerseits ein alter, würdevoller Mann, der über den Verlust seiner Frau hinwegkommen will. Er liebt den Jazz. Seine kriminelle Vergangenheit scheint zunächst weit hinter ihm zu liegen. Anders als seine Rentnerkumpanen ist er offenbar ziemlich wohlhabend, doch das Stehlen scheint für ihn eine Zwangshandlung zu sein. Reader hat indessen auch eine andere Seite. Von einem Augenblick auf den anderen kann er vom vornehmen, beherrschten genialen Mastermind zum boshaften alten Mann mutieren, der gerissen, eitel und selbstherrlich ist. Und wenn er in die Ecke getrieben wird, kann er ganz schön ungemütlich werden. 

Doch auch Michael Gambon als Billy the Fish, Jim Broadbent als Terry Perkins, Tom Courtenay als John Kelly Collins und Ray Winstone als bulliger Danny Jones machen deutlich, warum britische Charakterdarsteller zu den besten der Welt gehören.

Wer von SEIN LETZER JOB einen Heist-Film mit der genreüblichen actiongeladenen Dramatik und differenzierten Darstellung aller technischen Details erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht sein. Wer allerdings feine Charakterzeichnung, dezenten Humor und großartige Darsteller zu schätzen weiß, wird den Film mögen und sich glänzend unterhalten.      


Fotos: Studiocanal GmbH / Jack English

Standardbild
Hans Kaltwasser
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