Ein einfaches Leben – Min Jin Lee

Als Sunjas Vater stirbt, ist sie gerade mal 13 Jahre alt. Sie vermisst ihren Vater sehr, der zwar wortkarg, aber immer sehr liebevoll mit ihr und ihrer Mutter umgegangen war. Das Leben in dem kleinen Logierhaus wird fortan für Sunja und ihre Mutter härter. Den täglichen Gang zum Markt muss sie nun alleine gehen, ohne ihren Vater an der Seite, der seine Tochter vergöttert hatte.

Nach einiger Zeit jedoch wird es für sie zur Gewohnheit. Sie bemerkt, dass der Großhändler, der stets westliche Kleidung, einen weißen Anzug und Lederschuhe trägt, Sunja bei ihren Einkäufen beobachtet, zu ihr hinüberschaut. An diesem Tag spricht er sie sogar an, doch sie geht, ohne ein Wort zu sagen, weiter.

Das Leben für Koreaner ist, seit das Land 1906 zur japanischen Kolonie wurde, nicht einfach. Wenige Tage später, wieder auf dem Markt, erfährt Sunja dies am eigenen Leibe. Japanische Schüler beschimpfen und bedrängen sie. Da kommt ihr der Großhändler zu Hilfe und geraume Zeit später treffen sie sich regelmäßig, wenn Sunja zum Wäschewaschen geht. Als sie schwanger wird, kann Hansu sie nicht heiraten, will aber für sie und das Kind sorgen. Sunja ist bestürzt, dass Hansu bereits verheiratet ist und lehnt sein Angebot ab.

Einige Jahre später lebt Sunja in Japan. Ihr Ehemann, ein protestantischer Pfarrer, ist, von jahrelanger Haft geschwächt, gestorben. Koreaner haben kein einfaches Leben, auch hier nicht. Denn als koreanische Einwanderer in Japan sind sie Menschen zweiter Klasse. Während Sunja das tut, was sie immer getan hat, arbeiten und sich anpassen, sind ihre Söhne dabei, ihren eigenen Weg zu finden. Noah ist wißbegierig und will zur Universität nach Tokio. Der jüngere Bruder, Mozasu, hält davon gar nichts. Er ist temperamentvoll und wehrt sich, wenn nötig, auch mit Fäusten.
Schließlich gelingt es Noha, die Aufnahmeprüfung für die Universität zu bestehen. Doch woher soll das Geld für das Studium kommen? Da meldet sich Hansu, der Sunja nie aus den Augen verloren hat, und bietet seine Hilfe an. Noah ist sein leiblicher Sohn, doch niemand weiß davon. Ihrem Sohn zuliebe willigt Sunja ein. Sie ahnt nicht, welche Folgen das haben wird.

Dieses umfangreiche, sehr berührende Familienepos ist im Zeitraum von 20 Jahren entstanden. Die Autorin, Min Jin Lee, hat ausgiebig und vielseitig recherchiert und die hintergründige Geschichte einer fiktiven Familie geschrieben, die erst im eigenen Land, dann in dem ihrer Besetzer ein Zuhause sucht. Der starke Zusammenhalt der Familie täuscht nicht darüber hinweg, dass kulturelle Zwänge Schatten auf sie werfen.
Frauen leiden still, bis zuletzt, versagen sie in den Augen der Familie, bleibt oft nur der tödliche Ausweg. Gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung, Fremdenhass und Vorurteile verhindern, die eigene Identität ungestört entwickeln zu können.
Ein grandioser, fessender und wunderbar erzählter Roman, der nachdenklich macht, weil er von universeller Bedeutung ist.

Ein einfaches Leben
Min Jin Lee

552 Seiten
ISBN 978-3-423-28972-6
Verlag: dtv

Min Jin Lee wurde 1968 in Seoul/Südkorea geboren und immigrierte, als sie acht Jahre alt war, mit ihrer Familie in die USA. Sie hat in Yale studiert und vor der Veröffentlichung ihres ersten Romans als Anwältin gearbeitet. ›Ein einfaches Leben‹ stand auf der Shortlist des National Book Award und auf allen Bestsellerlisten der USA. Min Jin Lee lebt in New York.

Standardbild
Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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