Edward Perraud – Jazz-Album „Hors-Temps“

Drei Jahre nach „Espaces“ meldet sich der virtuose französische Schlagzeuger, Perkussionist und Komponist Edward Perraud mit seinem neuen Album zurück:  HORS-TEMPS ist ein wahrhaft poetischer Ausbruch und spannungsreiches musikalisches Fluidum.

Für einen Schlagzeuger erscheint der Titel zunächst wie ein Widerspruch in sich. „Hors-Temps“ ist ein „jeu de mots“, ein hintersinniges Wortspiel, das sowohl „außerhalb der Zeit“ als auch „ohne Takt“ bedeuten kann. Ähnlich rätselhaft mutet das Foto auf dem Cover an, eine seltsame Melange aus grauen und braunen Farben in unterschiedlichen Nuancierungen, die das Wasser des Ozeans und die Wolken des Himmels in der Vertikale zeigt und damit unsere natürliche Einstellung zur Welt verrückt. Oder gar die Aufhebung der Zwänge von Raum und Zeit suggeriert?

In jedem Fall entführen die neun Tracks des Albums, das Edward Perraud mit Bruno Angelini am Klavier und Arnault Cuisinier am Kontrabass aufgenommen hat,  den Zuhörer in eine Klanglandschaft, in der die Zeit außer Kraft gesetzt zu sein scheint. Auf zwei Stücken ist der schweizerisch-französische Trompeter Erik Truffaz zu hören.

Die Musik des Albums ist lebendig, spannungsvoll, lyrisch, melancholisch,  wechselt zwischen kraftvoll-energischen Passagen und solchen, die mit eleganter Zurückhaltung gespielt werden. Kaum zu glauben, dass die neun Kompositionen aus der Feder eines Schlagzeugers stammen.

Bereits die dichte Atmosphäre des ersten Tracks „Hors Sol“ zieht den Zuhörer von Anfang an in den Bann und lässt ihn nicht mehr los. Nach einer klaren melodischen Klavierlinie, die von zarten Besen und dem voluminösen Klang des Kontrabasses begleitetet wird, entwickelt sich das Stück zu einer Melange aus Klangfarben, Stimmungsbildern und wechselnden Tempi.

Diesen ständigen Dialog zwischen Bruno Angelini und Arnault Cuisinier finden wir auch in den Stücken „Chien Lundi“ und mit austariertem Tempowechsel in „Hors Piste“, das zudem durch die mit einem Bogen gespielten Passagen des Kontrabasses besondere Akzente setzt.

Im Stück „Flower of Skin“ gesellt sich Erik Truffaz mit einer sanften, an Miles Davis erinnernden  Trompete zum Trio, die perfekt zu der von Perraud gewünschten schwebenden Klang-Ästhetik passt.

Der Titel „Neguentropie“ beginnt bedächtig, nimmt dann aber abrupt Fahrt auf, wobei strahlende Trompetenlinien und  perlende Klavierläufe ungeahnte Spannungsbögen aufbauen, bevor das Stück mit ruhigeren Klängen endet.   

In allen Tracks glänzt Edward Perraud, der am Schlagzeug meisterhaft die Fäden zusammenhält und genau weiß, wann er das musikalische Geschehen mit subtiler, ziselierender Beckenarbeit oder mit  prononcierten Kicks auf der Basstrommel, rollenden Wirbeln oder Traktieren seiner Snare untermalen muss. HORS-TEMPS ist ein vorzügliches Album von einem überragenden Schlagzeuger und Komponisten,  eingespielt mit zwei hochkarätigen Sidemen.  

Veröffentlichung: 12.03.2021, Label: Label Bleu

Genre: Jazz (Modern) Format: CD

PERRAUD, EDWARD – Hors-Temps (LP) – Originalproduct

Standardbild
Hans Kaltwasser
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