Die Schauspielerin Behnaz Jafari sollte eigentlich am Set sein, um die Dreharbeiten zu ihrem aktuellen Film abzuschließen. Im Film „Drei Gesichter“ jedoch sitzt sie mit ihrem Freund, dem Regisseur Jafar Panahi, im Auto, auf der Suche nach einem Mädchen, das ihr eine Videobotschaft geschickt hat. Und das ist nicht eine der üblichen, die sie häufig erhält. Nein, das junge Mädchen behauptet, es hätte Behnaz schon häufiger kontaktiert, um ihr behilflich zu sein.
Das Mädchen möchte gerne Schauspielerin werden und hat deshalb massive Probleme in ihrer Familie. Mittlerweile ist es so verzweifet, dass es sich umbringen will, und das Video zeigt mutmaßlich die letzten Minuten in Marziyehs Leben.
Behnaz ist hin- und hergerissen zwischen Zweifel und Schuldgefühlen. Sie kann sich an keine Mail erinnern. Und doch, sie will endlich Klarheit haben. Der Weg führt die beiden in den Norden des Landes, in entlegene Bergdörfer. Enge und gefährliche Wege, die für Autofahrten nicht gedacht sind, machen die Fahrt zu einem Abenteuer.
Sie lernen, wie man sie ohne Zusammenstösse befährt, stoßen auf freundliche Menschen, die Hochzeit feiern, die in ihren schon ausgehobenen Grabesstätten Probe liegen und lernen einen unwilligen Zuchtbullen kennen, der bereits sehnlich erwartet wird. Nur von dem Mädchen haben sie noch keine Spur.
Bis sie schließlich die Mutter und den Bruder ausfindig machen können. Doch der wütende Bruder will sie gar nicht erst ins Haus lassen, und die Mutter weiß nichts. Als sie Marziyeh endlich finden, kommt es zu einer überraschenden Lösung.
Der Film entführt in eine Welt, die weit entfernt scheint und die Zuschauer doch bezaubern und berühren wird. Denn das liebevolle Roadmovie DREI GESICHTER bietet eine ereignisreiche Fahrt durch die Heimat des iranischen Regisseurs Jafar Panahi. Mit Humor und Herzlichkeit gelingt es ihm auf die Lebensweise und Bedürftigkeit der Menschen hinzuweisen und für Freiheit und Menschlichkeit zu plädieren. Auch im Iran sind Soziale Netzwerke sehr populär und werden genutzt, um Hilfe zu bekommen, auch bei der Umsetzung verbotener Berufswünsche.
Der Film ist auch eine Hommage an das Kino und die SchauspielerInnen. Insbesondere soll das Bild der Schauspielerinnen, das weder vor, noch nach der Revolution im Iran ein adäquates war, zurechtgerückt werden. Der in Iran sehr berühmten Schauspielerin Behnaz Jafari war der Film auch darum sehr wichtig, so dass sie auf ihre Filmgage verzichtete.
Der äußerst authentisch wirkende Film bietet einen optimistischen Schluß. Er zeigt, dass Frauensolidarität und Zusammenhalt in einer für Frauen schwierigen und kritischen Lebenslage der einzige Weg ist, um vorgezeichnete Pfade zu verlassen und sich weiterzuentwickeln.
Ein aussergewöhnlicher Film und ein intelligentes Kinovergnügen. Das von Panahi verfasste Drehbuch erhielt in Cannes die Palme für das Beste Drehbuch.
JAFAR PANAHI
Jafar Panahi gilt als einer der wichtigsten unabhängigen Filmemacher des Irans und wurde bereits mit hochrangigen Preisen wie dem Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig, der Goldenen Kamera des Festivals von Cannes und dem Silbernen sowie dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnet.
Aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber den politischen und gesellschaftlichen Umständen in seiner Heimat sind die meisten seiner Filme dort verboten. Bei den umstrittenen iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 unterstützte Panahi die Oppositions-bewegung Grüne Bewegung von Mir Hossein Mussawi gegen den Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Am 1. März 2010 wurde Panahi wie auch seine Frau und Tochter in seinem Haus von der iranischen Polizei festgenommen. Er wurde zunächst ohne Anklage ins Evin-Gefängnis gebracht, wo er knapp drei Monate lang inhaftiert blieb. Er trat in den Hungerstreik, unter anderem weil er keinen eigenen Anwalt bekam. Am 25. Mai 2010 kam er gegen die Zahlung einer Kaution von 200.000 US-Dollar stark abgemagert bis zum Beginn des Strafprozesses frei. Panahi wurde im Dezember 2010 schließlich wegen „Propaganda gegen das System“ zu sechs Jahren Haft verurteilt und erhielt ferner ein 20-jähriges Berufs-, Ausreise- und Interviewverbot.
Dies hindert Panahi jedoch nicht daran, weiterhin Filme zu drehen, in denen er die Situation der Islamischen Republik anklagt, und diese in die Welt hinauszuschicken. Nach DIES IST KEIN FILM (2011), CLOSED CURTAIN (2013), TAXI TEHERAN (2014) ist DREI GESICHTER der vierte Film, den Panahi heimlich produzierte und zur Präsentation auf internationalen Festivals außer Landes schmuggelte.
FILMOGRAFIE
1995 Der weiße Ballon (Badkonake sefid)
1997 Der Spiegel (Ayneh)
2000 Der Kreis (Dayereh) 2003 Crimson Gold – Blutrotes Gold (Talaye sorkh)
2006 Offside
2011 Dies ist kein Film (In Film Nist)
2013 Closed Curtain (Pardé)
2015 Taxi Teheran (Taxi)
2018 Drei Gesichter (Se rokh)
Alle Fotos: Jafar Panahi Film Production