Drei Buchtipps

Drei Romane, die unterschiedlicher nicht sein können, bieten überraschende Ein- und Ausblicke, verscheuchen die Langeweile und sind Stoff zum Nachdenken oder Austausch mit anderen Lesebegeisterten.

Johanne Sebauer – Nincshof

Unvergesslich sein, in Erinnerung bleiben, Aufmerksamkeit wecken, zu einem populären und angesagten Orten werden, all das möchten die drei Bewohner des kleinen Dorfes Nincshof nicht. Sie wollen zurück zu einem fernen Zustand, den ihr Dorf in die völlige Abgeschiedenheit und Unbekanntheit zurückführt: ohne Touristen, Steuerzahlungen und Ortsschilder. Niemand soll mehr etwas von Nincshof hören oder sehen. So der Plan dieser Männer, die sich „die Oblivisten“ nennen. Sie gewinnen Erna Rohdiebl hinzu, die durch eine mutige Tat auf sich aufmerksam gemacht hat. Die hält zunächst nichts von der Idee, aber ihre Neugierde siegt und so kommen nun Abend für Abend die drei Oblivisten zu ihr nach Hause, belegen ihre Eckbank und überlegen, wie sie ihre Ziele möglichst schnell umsetzen können. Bei Speckbroten und Pusztafeigenschnaps planen sie das Verschwinden Nincshofs.

Nur ganz allmählich und nach einigen schwerwiegenden Patzern wird ihnen klar, wie schwierig es ist, diesen Plan umzusetzen. Besonders als ein Wiener Ehepaar sich in Nincshof niederlässt. Sie ist Dokumentarfilmerin und er Architekt, der für eine seltene Ziegenart schwärmt …

Vielleicht liegt tatsächlich im Vergessenwerden die Freiheit in einer Welt, die wie nie zuvor die Möglichkeit bietet, öffentlich zu werden, Geheimnisse zu lüften und Bekanntheit zu erlangen. Der Autorin gelingt mit Esprit und Humor ein sehr vergnüglicher und kluger Roman über Vergangenheit und Gegenwart und die Neigung der Menschen, sich Vergangenes schön zu reden. Eine unverzichtbare Lektüre.

NINCSHOF – Johanna Sebauer

Verlag: Dumont

Marvel Moreno – Im Dezember der Wind

Im Roman „Im Dezember der Wind“ erinnert sich die in Paris lebende, kränkliche Lina, das Alter Ego der Autorin, Marvel Moreno, an aristokratische Familien in Barranquilla. Opulente Villen in Wohnvierteln, Zweitwohnungen am Strand und der Country Club in der kolumbianischen Stadt bilden die Kulisse für diesen Roman, der bis zur Zeit der Kolonialisierung zurückreicht. Im Zentrum stehen drei Freundinnen Linas, die unterwürfige Dora, die schöne Catalina und die anfangs puritanische Beatriz -, die zu Frauen heranwachsen und in unglücklichen Ehen enden.

Linas Großmutter spielt eine wichtige Rolle, da sie als Quelle von Informationen über die Vergangenheit, als distanzierte Beobachterin, aber auch als Manipulatorin die Geschicke ihrer Enkelin steuern will. Vor allem vor Männern will sie sie schützen und nach ihrer Meinung, ist die Scham oft die Ursache für deren Gewalt und Unverständnis.

Vier Frauen, ihre gespannten Beziehungen zu Männern und ihre Suche nach Identität und Freiheit in den 1950er und frühen 1960er Jahren – Marvel Morenos (1939-1995) Roman gilt als ihr größtes Werk und zeigt die Doppelmoral, mit der Männer und Frauen in der Gesellschaft von Barranquilla beurteilt werden und die Heuchelei, die diese Ungerechtigkeit ermöglicht. Während die Männer in diesem Roman ihre Frauen schlagen, sich Geliebte nehmen und Kinder außerhalb der Ehe zeugen, wird von den Frauen erwartet, dass sie loyal, gehorsam und gute Mütter sind.

Obwohl es einigen der Figuren des Romans gelingt, ihre Lebensumstände zu überwinden und den engen Kreis, in dem sie aufgewachsen sind, zu verlassen, hat ihre Unabhängigkeit und Freiheit einen hohen Preis.
Ein mitreißender Roman – klug und durchdacht bis zur letzten Seite.

Marvel Moreno
Im Dezember der Wind

Aus dem kolumbianischen Spanisch von Rike Bolte

432 Seiten
ISBN 978-3-8031-3354-0
Verlag: Wagenbach

Anja Baumheier – Die Buchverliebten

Gesa hat das Lesen geliebt. Ein Roman folgte auf den anderen und so beleben und bereichern die Bücher ihren Alltag. Als sie zudem mit ihrer großen Liebe auch einen Autor gefunden hat, gestaltet sich zunächst ihr Leben perfekt. Bis zu dem Tag, als Onni, erschlagen von einem Buchregal stirbt. Von diesem Zeitpunkt an, gibt es für Gesa keine Bücher mehr. Nun, kurz vor ihrer Rente, soll sie ihre Stelle bei einer Versicherung verlieren. Da lernt sie Ole Oevermann kennen. Der Buchhändler ist nicht nur überaus charmant und überzeugt davon, dass sich Gesas Kündigung abwenden lässt – er möchte auch ihre Liebe zur Literatur wiedererwecken. Wird es ihm gelingen?

Bodenständigkeit gemixt mit viel Fantasie und schon sind Leser:innen im Roman der Autorin Anja Baumheier gelandet. Ein stimmungsvolle Lektüre rund um das Thema Buch.

Die Buchverliebten
Anja Baumheier

Verlag: Kindler Verlag

Ingrid
Ingrid

Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen.
Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.

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