Für manche Leser*innen ist die Welt des Schreckensstaats Gilead neu. Wer dagegen den ersten Roman „Der Report der Magd“ gelesen hat, kommt schnell in das Geschehen hinein. Gleich drei Zeuginnen berichten im Roman „Die Zeuginnen“ in der klaren und einfach gehaltenen Erzählsprache der Autorin Margaret Atwood von Mägden, Marthas und Männern.
Die Letzteren haben das Kommando im Staate und Haushalt und verfügen über das Recht, Mägde zu schwängern, die dann in die Obhut der Marthas gelangen. Was Männer eben machen, ist zu wichtig, „zu wichtig für Frauen, für die das nichts war, denn sie hatten ein kleineres Gehirn und waren unfähig zu großen Gedanken, behauptete Tante Vidala, bei der wir Religionsunterricht hatten“, so eine der Zeuginnen. Wenn auch die Geschehnisse für alle Zeuginnen gleichermaßen ungerecht und manchmal sehr brutal sind, ihre Sichtweisen sind jedoch unterschiedlich.
Tante Lydia, die ohne Schuldgefühle durch ihre Erziehungsmethoden die ihr anvertrauten jungen Mädchen mehr oder weniger für ihre Aufgaben abrichtet. Denn Gilead funktioniert auch deshalb, weil Frauen gehorsam sind und damit das System aufrechterhalten, indem sie ihrerseits Frauen unterdrücken.
Eine der Zeuginnen ist jung und muss schließlich aus Gilead fliehen, da sie ihre Eltern verloren hat, die im Untergrund gearbeitet haben. Die dritte Zeugin ist Agnes Jemima, die Tochter Desfreds aus dem ersten Roman, die 16 Jahre später eine junge Frau ist. Doch alle drei müssen auf je verschiedene Weise ihr Leben im totalitären Schreckensstaat Gilead bewältigen.
Der Roman ist ebenso wie sein Vorgänger eine Fiktion, doch in „Die Zeuginnen“ greift die Autorin Realitäten unserer Gegenwart auf wie die Abtreibungsdebatten in den USA und die Flüchtlingssituation weltweit.
„Liebe Leserinnen und Leser, die Inspiration zu diesem Buch war all das, was Sie mich zum Staat Gilead und seine Beschaffenheit gefragt haben. Naja, fast jedenfalls.Die andere Inspirationsquelle ist die Welt, in der wir leben.“ Margaret Atwood
Beeindruckende Unterhaltung, die sich insbesondere dadurch auszeichnet, Themen wie Frauenunterdrückung, Migration und die Schrecken einer Diktatur so zu beschreiben, dass sie von fast allen Leser*Innen verstanden werden können.
Der Roman „Die Zeuginnen“ von Margaret Atwood steht auf der Shortlist The Booker Prize 2019 und ist beim Piper/Berlin Verlag erschienen.
DIE ZEUGINNEN
Margaret Atwood
Übersetzt von: Monika Baark
576 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
EAN 978-3-8270-1404-7