Im Roman „Die Zeit der Zikaden“ ist für die Lehrerin Alex eine neue Zeit angebrochen – der Ruhestand. Nachdem sie jahrzehntelang für ihre Schüler*innen Frau Mattmann, aber nie eine Ersatzmutter war, wurde sie dennoch gemocht. Besonders mit ihrer Theater-AG gewann sie viele junge Menschen und bot ihnen Hilfe, sich selbst besser zu erkennen. Darunter war auch Wiebke, die sie nun zu ihrer Hochzeit einlädt. Doch Alex will nicht ruhen, sondern etwas Neues wagen – den Aufbruch ins Ungewisse. Seit sie von diesen mobilen Tiny Houses erfahren hat, lässt der Gedanke sie nicht los, selbst eines zu besitzen und im Norden einen Platz zu finden, um alles Gewohnte hinter sich lassen.
Johann, Mitte fünfzig, sucht ebenfalls einen Weg hinaus aus seinem Beruf als Bestatter und einer erkalteten Ehe. Seine Tochter Nora hat wegen eines Streits mit den Eltern die Familie verlassen und keine Nachricht ist seither von ihr zu ihnen durchgedrungen. Jetzt sieht er manchmal ein Bild von Nora plötzlich im Gewühl menschenvoller Straßen auftauchen. Doch es ist nicht Nora.
Nun hat er sein Geschäft Schwiegertochter und Sohn übergeben und sich eine Auszeit von einem halben Jahr vorgenommen. Ein ererbtes Steinhaus in Ligurien scheint ein guter Ort dafür zu sein. Bevor er dorthin reist, lernt er auf der Hochzeit seines Sohnes Alex kennen, die Lehrerin seiner Schwiegertochter. Sie ist anders als seine Frau und irgendetwas Unergründliches an ihr zieht ihn an.
Er lädt sie zu sich nach Ligurien ein, wo er auf den Spuren seines verstorbenen Onkels ist, der hier als Maler einige künstlerische Abdrücke hinterlassen haben soll. Und auch er beginnt zu malen. Als erstes das Porträt von Alex, die mit ihrem Tiny House bei ihm angekommen ist.
Was zunächst wie ein Klischee klingt, entpuppt sich unter dem eindrucksvollen Erzählstils und der bildreichen Sprache des Autors Moritz Heger zu einer tiefgründigen Geschichte, in der die beiden Hauptfiguren zwar alles hinter ich lassen wollen, doch auch so viel mitnehmen, ihre guten Erfahrungen genauso wie ihre Kränkungen. Und doch zeigt der Roman auch die lebenslange menschliche Fähigkeit zur Veränderung auf, um neue Beziehungen eingehen zu können. Ein sehr optimistischer Roman, der die Wärme und Schönheit Liguriens beschreibt, die sich auch in den Menschen wiederfindet. Sehr lesenswert!
Die Zeit der Zikaden von Moritz Heger
304 Seiten – ISBN 978-3-257-07274-7
erschienen am 26. Juni 2024 im Verlag: Diogenes