Ganz vehement tauchen vor der mittlerweile blind gewordenen Klara Erinnerungen auf, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle gespielt haben und die sie ihrer Familie nie erzählt hat. Nun, im Alter von über neunzig Jahren, will sie sie unbedingt äußern und mitteilen. Doch die Zeit, die ihr noch bleibt, ist begrenzt, deswegen nimmt sie ihre Erinnerungen auf Kassette auf. Und dabei stellt sie fest, das Mikrofon fest in der Hand, dass sie damit auch die Chance bekommt, sich selbst nochmals als junge Frau zu begegnen und die Entscheidungen und Wendungen ihres Lebens besser zu verstehen.
Die Weltwirtschaftskrise 1929, der nahende Nationalsozialismus und das Naziregime veränderten Deutschland und die Menschen. Klara hat jedoch Glück, da sie in diesen unsicheren Zeiten eine Stelle als Lehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum bekommt. Dort fühlt sie sich schnell heimisch und kann ihre Eltern finanziell unterstützen. Und der wichtigen Aufgabe nachgehen, jungen Mädchen zur Selbstständigkeit zu verhelfen. Eines Tages wird ein einjähriges Mädchen im Heim abgegeben, doch niemand kann für die Kosten des Kindes aufkommen. Klara fühlt sich auf Anhieb mit dem kleinen Mädchen stark verbunden.
Bald jedoch spitzt sich die wirtschaftliche Lage des Heims dramatisch zu. Die Heimleiterin stirbt und Klara nimmt ihre Stelle ein. Nun muss sie auch für die finanzielle Sicherheit sorgen. Unerfahren, aber fest entschlossen, das Heim zu retten, will sie mit den neuen nationalsozialistischen Machthabern kooperieren, in der Hoffnung auf Rettung. Zu spät erkennt sie, mit wem sie sich eingelassen hat. Als sie merkt, wie weit diese auch in ihr pädagogisches Konzept eingreifen, ist es für einen Rückzug zu spät. Und sie macht sich Sorgen um die kleine Tolla, die Klara wie eine Tochter liebt. Denn sie ist jüdischer Herkunft.
Der Roman „Die karierten Mädchen“ basiert auf den Lebenserinnerungen der Großmutter von Alexa Hennig von Lange. Somit wird der Roman zu einem ganz besonders eindrucksvollen Zeitzeugnis, das auf einer privaten Ebene Entscheidungen und Lebensumstände einer jungen Frau sichtbar macht. Insbesondere zu dieser Zeit hatten Frauen große Hürden zu überwinden, um beruflich selbstständig sein zu können. Unter der Hitlerdiktatur wurden sie unerbittlich auf die Rolle als Hausfrau und Mutter zurückverwiesen. Behutsam, doch sehr lebendig und anschaulich erzählt Alexa Hennig von Lange aus der Sicht einer Frau von Höhepunkten, Hindernissen und Krisen in einer bewegten Zeit. Der Roman ist der erste Band einer Trilogie, die vom Ende der Zwanziger- bis in die Sechzigerjahre reicht.
Alexa Hennig von Lange
DIE KARIERTEN MÄDCHEN
Roman
368 Seiten, Gebunden mit Lesebändchen
Verlag: Dumont
ISBN 978-3-8321-8168-0