Schon längst hat sich unser Leben digitalisiert. Zwar verfügt Deutschland nicht über die schnellste digitale Datenautobahn, der digitale Wandel ist dennoch auch bei uns deutlich spürbar. Ist das als technischer Fortschritt zu verstehen? Nein, sagt Autor Andreas Barthelmess in seinem höchst interessanten Buch „Die große Zerstörung“. Denn das, was wir jetzt erleben, ist ein Umbruch, mehr noch – eine Zerstörung. War technologischer Fortschritt bisher inkrementell – aus einem Auto mit Verbrennungsmotor ergibt sich ein Vorwärtstrend, nämlich das E-Auto – so schafft eine Disruption etwas komplett Neues: Google statt Gelbe Seiten, Uber-App statt Taxi-Stand, Tinder statt Disco. Künstliche Intelligenz und autonome Maschinen statt menschlicher Arbeit.
Die Nachkriegszeit mit ihren bis in die Nullerjahre stattfindenden inkrementellen technologischen Veränderungen ist nun also endgültig vorbei?
Und die aktuelle Politik, wie gestaltet sie den digitalen Wandel? Zunächst hat sie einiges damit zu tun, um mit den gesellschaftlichen Spannungen, wie Populismus und Spaltungen, umzugehen.
Denn in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und nicht zuletzt in der Politik zeigen sich teils zerstörerische Brüche. Die großen „Volksparteien“ sind keine Mehrheitsbeschaffer mehr. Differenzierungen und der Trend zur Individualisierung schaffen eine Vielfalt, die sich auch in neuen Parteien, Bewegungen und Interessenvertretungen niederschlägt.
Doch wie mit dieser neuen Vielfalt umgehen? Die digitalisierte Welt muss konkret politisch gestaltet werden, fordert Autor Andreas Barthelmess. Das heißt nicht allein, Social Media im Sinne Donald Trumps zu nutzen. Vielmehr einen globalen Ordnungsrahmen zu entwickeln. Europa muss verstärkt auch bei diesem Thema wieder zusammenfinden. Der Umbruch muss kritisch in den politischen, ökonomischen und sozialen Blick genommen werden. Europa sollte auch hier autonom werden. Dazu macht Andreas Barthelmess konkrete Vorschläge.
Sein Buch bietet einen exzellenten und umfangreichen Einblick in die vielfältigen Anforderungen, die der digitale Umbruch bereit hält. Angefangen bei der digitalen Ökonomie, die anders funktioniert als die traditionelle, über eine veränderte Parteienlandschaft bis hin zum Kommunikationsverhalten bietet das Buch kompetentes Wissen und eine fundierte Diskussionsgrundlage.
„Die große Zerstörung“ ist ein sehr sorgfältig recherchiertes und scharfsinniges Buch, das beim Lesen Spaß macht, weil der Autor das Thema lebendig und zeitgeistig präsentiert.
Die große Zerstörung
Andreas Barthelmess
ISBN: 978-3-411-74733-7
Seiten: 256
Verlag: Duden
Erscheinungsjahr: 2020
Andreas Barthelmess, geboren 1979, ist Start-up-Unternehmer und Publizist. Er lebt in Berlin. Berufliche Anfänge bei Roland Berger, den Vereinten Nationen in New York sowie Gruner + Jahr. Er gründete eigene Start-ups und baute führende europäische Tech-Unternehmen mit auf. Heute ist er Berater und Angel-Investor. Noch als Student gründete er den „Think Tank 30″ unter dem Dach des Club of Rome Deutschland. Barthelmess kommentiert das Zeitgeschehen regelmäßig für DIE ZEIT, Die Welt, NZZ, Handelsblatt, Wirtschaftswoche und Spiegel Online. Dies ist sein erstes Buch.