Während der Gender Pay Gap, ein Maß, das angibt, wie viel mehr Männer als Frauen verdienen, seit 2002 unverändert bei 21 % liegt und eine Studie zur Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen zudem zeigt, dass Frauen ab 30 insbesondere im TV deutlich unterrepräsentiert sind, sah es im Jahre 1971 in der Schweiz um einiges dramatischer aus: Ohne Erlaubnis des Mannes durfte eine Frau keinen Job annehmen und bei politischen Wahlen erst recht nicht ihre Stimme abgeben. Dies regelte DIE GÖTTLICHE ORDNUNG und an der kam zumindest in dem kleinen Appenzeller Dorf niemand vorbei. Wer es dennoch versuchte, wurde sozial und manchmal auch strafrechtlich verfolgt.
Dabei war das Private längst als politisch entlarvt, ein Slogan aus der Frauenbewegung der 1970er Jahre. Wie aber sollten das die Menschen verstehen, die weit davon entfernt ihren Alltag bewältigten? Etwa Nora (MARIE LEUENBERGER), die Protagonisten im Film „Die göttliche Ordnung“. Sie lebt mit ihrem Mann, den beiden Söhnen und dem missmutigen Schwiegervater von den gesellschaftlichen Umwälzungen der 68er-Bewegung unberührt ihr Leben. Doch wie der Zufall es will, ändert sich das ganz plötzlich, als Nora unbedingt eine Stelle als Sekretärin bei der Swissair annehmen will. Ihr Ehemann Hans (Maximilian Simonischek) ist dagegen, weil er fürchtet, dass Nora dort von zu vielen Männern umgeben ist. Und was wird aus den beiden Söhnen? Mit neuem Haarschnitt und im Schlepptau einer alten Streiterin für das Frauenwahlrecht geht Nora ziemlich naiv daran, dafür zu kämpfen. Dabei finden sich Nora und weitere Frauen aus dem Dorf unversehens auf einer Demonstration in Zürich wieder und landen wenig später in einer Selbsterfahrungsgruppe, wo ihre sexuellen Bedürfnisse und weibliche Anatomie zum Thema werden.
Als Nora schließlich weiß, dass sie „einen Tiger zwischen ihren Beinen „, aber noch nie einen Orgasmus bekommen hat, wird ihr privates Leben dennoch nicht politisch. Im Film bleibt das eine Sache zwischen Hans und Nora. Doch zuvor sorgt ihr Engagement bei Hans für Probleme, auch wenn der zeitweise zur Kittelschürze greift und dabei ziemlich sexy aussieht. Seinem Image bei den Kollegen schadet dieser Umstand jedoch eher.
Weniger deutlich wird im Film der Kampf der Frauen für gesellschaftliche Gleichstellung. Wenige Frauen sind bereit mitzustreiten und zu streiken: Nur einige Tage fallen die Ehefrauen zuhause aus – ihr Wahlrecht bekommen sie jedoch trotzdem.
Die Regisseurin Petra Volpe, die auch das Drehbuch zum Film schrieb, hat keinen Film über den schweren Kampf der Emanzipation gemacht, von dem die meisten Frauen heute profitieren, sondern eine atmosphärisch dichte Komödie über die Ängste der Männer vor den Frauen, denn schon Sokrates (470 – 399 v. Chr.) hat gesagt: „Eine Frau, gleichgestellt, wird überlegen“.
Ein Film der humorvoll mit dem Thema „Gleichstellung der Frau“ umgeht und doch zeigt, wie wichtig sie ist. Die Kamerafrau Judith Kaufmann hat es meisterhaft verstanden, die richtigen Perspektiven einzunehmen. Im Film hört man zudem tolle Musik aus den 1970er Jahren wie „You Don’t Owe Me“ von Lesley Gore und „Respect“ von Aretha Franklin. Gute Gründe also, um den Film zu sehen und danach über Emanzipation zu reden?!
DIE GÖTTLICHE ORDNUNG wurde ausgezeichnet mit drei Schweizer Filmpreisen und dem „Prix de Soleure“ der Solothurner Filmtage. Beim Tribeca Film Festival in New York gewann der Film den Zuschauerpreis und den Nora-Ephron-Preis. Hauptdarstellerin Marie Leuenberger wurde als beste Schauspielerin in einem internationalen Film geehrt.
ab 3. August im Kino