Die Filmkritik: A Beautiful Day

Joaquin Phoenix spielt Joe, einen Kriegsveteranen und ehemaligen Polizisten, der seinen Lebensunterhalt in New York damit bestreitet, verschleppte junge Mädchen aus Bordellen zu retten. Die Methode, mit der er die Minderjährigen aus der Gewalt ihrer Kidnapper befreit, ist nicht eben fein; mit einem Hammer schlägt seinen Opfern den Schädel ein.

Joes Leben bewegt sich zwischen seinem blutigen Handwerk, das er konsequent und erbarmungslos erledigt, und der liebevollen Fürsorge, die seiner alternden Mutter (Judith Roberts) gilt, bei der er noch lebt und vor der er sein mörderisches Treiben sorgsam verbirgt. „Ich bin wieder da, Mama“, ruft er, wenn er nach einem erledigten Job nach Hause zurückkehrt.

Der Plot ist fast Nebensache. Joe erhält eines Tages einen lukrativen Auftrag von höchster Stelle. Albert Votto (Alex Manette), Senator im Staat New York, tritt bei den Gouverneurswahlen an. Die 13jährige Tochter des Senators, Nina, (Ekaterina Samsonov) ist ausgerissen, Votto, der den Verdacht hegt, dass Nina zusammen mit anderen Mädchen von Sexhändlern in einem Nobelbordell gefangen gehalten wird, möchte sie zurückhaben, ohne die Polizei einzuschalten.

Er bittet um Diskretion, schließlich sind Wahlen und sagt Joe gleichzeitig, wie die Leute, die Nina in ihrer Gewalt haben, zu behandeln sind. „Ich möchte, dass Sie Ihnen richtig weh tun.“ Joe macht sich an die Arbeit und erledigt seinen Job mit brutaler, eiskalter Routine. Doch mit Ninas Befreiung legt er sich mit einer mächtigen Mafiaorganisation an, die ihn von nun an tot sehen will. Von nun an überschlagen sich die Ereignisse.

Ein anderer Regisseur hätte möglicherweise versucht, aus der literarischen Vorlage einen konventionellen, politischen Verschwörungsthriller über einen kleinen, knallharten Killer zu machen, der sich im Netz einer Intrige verstrickt. Doch das ist Lynne Ramsays Thema nicht. Die schmutzigen Geschäfte und Brutalitäten, aus denen der äußere Plot besteht, zeigt ihr Film nur an der Oberfläche. Das eigentliche Interesse der Schottin gilt vielmehr der Erkundung der inneren Befindlichkeit des Auftragskillers Joe, dessen Leben und Geist durch die Gewalt, die er erlebt hat, geschädigt wurde. Unablässig pendelt der Film zwischen Realität und Joes Halluzinationen hin und her, mit scheußlichen, grausamen Bildern, die immer wieder blitzartig aufflackern – fragile mentale Fragmente von Joes verdrängten Erinnerungen an die Misshandlungen, die ihm durch den eigenen Vater widerfuhren, und die Kriegsgräuel, die er als Soldat erlebte, und die sich nie zu einem stimmigen Ganzen fügen.

A BEAUTIFUL DAY ist ein nervenaufreibender Film, der wie ein Faustschlag in die Magengrube wirkt. Technisch versiert und hervorragend besetzt, mit einer Meisterleistung von Joaquin Phoenix, verweist er ähnliche Filme dieses Genres in ihre Schranken.

Phoenix spielt seine Rolle unglaublich intensiv und mit großer Präsenz und Authentizität. Mit seinem massigen, schwergewichtigen, von unzähligen Narben gezeichneten Körper, seinem schäbigen ergrauten Bart und seinen Augen, die mal wild vor Zorn aus ihren Höhlen hervorschießen, dann wiederum gedankenverloren ins Leere starren, wirkt er wie eine rohe, ungezähmte Naturgewalt, die erschreckt und gleichzeitig doch unwillkürlich Mitleid hervorruft. Denn die Gewalt richtet er nicht nur gegen andere, sondern von Anfang bis Ende gegen sich; immer wieder versucht er vergeblich sich umzubringen.

Ab heute in den Kinos

Fotos: Constantin Film

Standardbild
Hans Kaltwasser
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