Heute vor 50 Jahren erschien DIAMOND DOGS, das achte Studioalbum von David Bowie. Der exzentrische britische Musiker befand sich damals wie so häufig später in seiner Karriere an einem künstlerischen Wendepunkt. Ein Jahr zuvor hatte er sich nach einem Konzert im Londoner Hammersmith Odeon von seiner Bühnenfigur Ziggy Stardust verabschiedet und seine Band The Spidermen aufgelöst. DIAMOND DOGS markiert einen Übergang zu einem Bowie, der versucht, sich eine neue Klangwelt zu schaffen, nachdem man ihm die Rechte an einem TV-Musical zu George Orwells dystopischen Klassiker „1984“ verweigert hatte. Manche Songs auf DIAMOND DOGS wie „Big Brother“, „We Are the Dead“ und natürlich vor allem „1984“ lassen sich unschwer als Destillationen des ursprünglich geplanten grandiosen Vorhaben erkennen.
Musikalisch schafft das Album eine Spannung zwischen Dunkelheit und Licht, düster und doch verführerisch. Irgendwo zwischen Glam Rock, Soul/Funk und dem bald aufkommenden Punk angesiedelt, ist DIAMOND DOGS ein Übergangswerk. Bowie war immer ein Künstler, der ständig in Bewegung war. Es ist gewiss kein Album für Puristen oder Genre-Junkies, aber das war auch ohnehin nie Bowies Ding. Vielmehr ist es eine gelungene Montage von unterschiedlichen Stilen, wohltönende Sinfonie und verstörende Kakophonie in einem.
Das Album beginnt mit einigen gesprochenen Worten, die von schrägen Synthesizern untermalt werden („Future Legend“), huldigt den Rolling Stones („Diamond Dogs“) und schließt mit dem hypnotischen „Chant of the Ever, Circling Skeletal Family“. Dazwischen wechselt Bowie wagemutig von Frank Sinatra-ähnlichem Gesang zum „Papa der deutschen elektronischen Musik“ Karlheinz Stockhausen. Der Höhepunkt von DIAMOND DOGS und für manche das beste Stück Musik, das Bowie je produziert hat, ist die neunminütige, dreiteilige, hochemotionale Suite „Sweet Thing, Candidate, Sweet Thing (Reprise)“. Die Songs handeln von tiefer Verletzlichkeit und brennender Sehnsucht, transportieren viel Gefühl und begeistern.
Das ist Bowie in Bestform, begleitet von Mike Garsons erhabenem Piano. Gesanglich wechselt der Musiker mühelos von einer tiefen Stimmlage zu einem hochfliegenden Falsett.
Bei seinem Erscheinen fand das Album bei der Fachkritik ein geteiltes Echo, im Magazin „Rolling Stone“ wurde es gar ganz verrissen. Heute gilt es vielfach als eines von Bowies bedeutendsten Werken. Im als Single ausgekoppelten Song „Rebel, Rebel“, der auf einem an die Stones erinnernden markanten Gitarrenriff basiert und in den 1970er-Jahren wegen seines ungezügelten Hedonismus verschreckte, heißt es: „You got your mother in a whirl / She’s not sure if you’re a boy or a girl“. Auch 50 Jahre nach seinem Erscheinen, fallen nicht nur die Mütter in einen wahren Taumel, wenn man DIAMOND DOGS hört.